Sonntag, 2. Juli 2017

Festival der Demokratie - G20 in Hamburg

Sonntag, 2. Juli 2017

Die Welt blickt eine Woche vor den eigentlichen Gipfeltagen bereits nach und auf Hamburg.
Dieser Blick sollte positiv sein, die Schönheit der Stadt zeigen; das jedenfalls wünschte sich der Bürgermeister Olaf Scholz. Es ist ein frommer Wunsch, der Dank der Einsatzleitung voraussichtlich wie mutmaßlich nicht erfüllt werden wird.

Denn statt der schönen Winkel, welche die Stadt zweifellos und auch auf der Halbinsel Entenwerder zu bieten hat, sieht die Öffentlichkeit wie die Einsatzkräfte den Aufbau eines gerichtlich genehmigten Protestcamps wenigstens behindern oder verzögern, wenn nicht sogar der Versuch unternommen wird, eben dieses Camp zu unterbinden.
Von dem Beschluss des Verwaltungsgerichts (75G / 317) vom 1. Juli 2017 will man bei der Pressestelle angeblich keine Kenntnis gehabt haben.

Der unrechtmäßige wie auch unverhältnismäßige Einsatz ist nach Stunden noch nicht beendet. 
Die für den heutigen Tag angekündigte Pressemitteilung der Polizei Hamburg ist bis zum Abend nicht veröffentlicht worden.

Nimmt man den heutigen Tag als Auftakt zu der kommenden Gipfelwoche und als Indikator dafür, wie die Polizeikräfte gedenken ihre Einsätze auszugestalten, so lässt sich wohl zumindest die temporäre Abschaffung der Demokratie und Gewaltenteilung befürchten, wenn nicht feststellen.

Es bleibt zu wünschen, dass Rechtsbrüche wie der am heutigen Tage Konsequenzen nach sich ziehen, und zwar sowohl personeller Natur, wie auch im Bewusstsein der Bevölkerung.
Denn das Aushebeln der demokratischen Grundordnung, sei es von Seiten des Senats geduldet oder nicht, geht jeden Bürger und jede Bürgerin an, die sich einer freien und eben demokratischen Welt verpflichtet fühlen. Und ein jeder sollte sich weigern, ihr beim Sterben zuzusehen.

 


Donnerstag, 8. Juni 2017

Briefe an den Bürgermeister - G20 in Hamburg

Dienstag, 16. Mai 2017
Prolog


Neulich dachte ich darüber nach, dass kaum noch Brandreden gehalten werden, die länger als 140 Zeichen sind. Bewegende Worte - dafür reicht weder die Aufmerksamkeit noch das Interesse. Selbst Petitionen werden nach Möglichkeit griffig getextet - unterzeichnen Sie hier.
Und auch Offene Briefe zeichenen sich in aller Regel dadurch aus, so kurz wie möglich und so offen wie nötig sein zu wollen. 
Manchmal braucht es aber vielleicht gerade die gute, alte "wall of text", die kaum jemand mehr lesen mag und deren Einleitung schon ermüden will, so wie diese hier.

Wer aber nicht davor zurückschreckt, sich auf "Mehr" einzulassen, wird lernen, dies ist keine Brandrede im eigentlichen Sinne, es ist keine Petition und sicher nicht so mitreißend wie die großen Worte noch größerer Männer. Am ehesten ist es eine Art Offener Brief und es ist persönlich.

Worum es geht? G20, meine Stadt und den Senat.

Ich bin in einer Umgebung aufgewachsen, in der die Zugehörigkeit zur SPD eine ähnlich lange Tradition hat, wie der Anstand und das Zuhören. 

Menschen wie Sie, Herr Scholz, Herr Grote oder Herr Droßmann, machen es mir nicht nur schwer, sondern unmöglich, Sympathie für die SPD aufzubringen.

Sie dürfen mich eine Aktivistin nennen. Ja, ich habe einen schwarzen Kapuzenpullover, den ich hauptsächlich sonntags trage, wenn ich Brötchen aus meiner Lieblingsbäckerei hole oder es im Juni plötzlich zu kalt zum Grillen ist.

Gewalt, gleichgültig ob physisch, psychisch oder verbal lehne ich stets und kompromisslos ab. Ich glaube nicht daran, dass Gewalt mit Gewalt bekämpft werden kann und genauso wenig, dass ich die andere Wange hinhalten muss. Zivilen Ungehorsam halte ich für nötig und richtig. Und ich glaube, dass ein Wechsel der Perspektive zuweilen genauso zwingend notwendig ist, wie sich daraus ein neuer Standpunkt ergeben kann. Ich glaube außerdem an die Macht der Worte und daran, dass aus Sprache Handlungen werden können.

Ich verteidige Rechtsstaat, Grundgesetz und Demokratie als unbedingte und zwingend zu erhaltende Maßstäbe.

Sie haben uns - also die Einwohner dieser Stadt - darum gebeten, Verständnis zu haben.

Verständnis für die Straßensperren, das Ungemach und die Sicherheitsmaßnahmen.

Sie dürfen sicher sein, ich habe verstanden, dass Sie Ihrer Auffassung nach keine andere Möglichkeit haben und hatten, als diesen Gipfel inmitten der Stadt, am Knotenpunkt zwischen Karolinen-, Schanzenviertel und St. Pauli, abzuhalten.

Ich muss Ihnen keinen Glauben schenken, dass es keine Alternative gegeben hätte, aber ich habe Sie gehört.

Genauso wie ich gehört habe, dass den Wohnungslosen der Stadt empfohlen wird, sich aus den Sicherheitszonen zurückzuziehen, am besten gleich ganz aus Hamburg zu verschwinden. Ich habe auch gehört, dass Demonstranten besser den Weg frei machen, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, wenn die Kolonen der Staats- und Regierungschefs sich durch die abgesperrten Straßen winden.

Ich höre zwischendurch immer wieder von Versuchen, das Versammlungsrecht einzuschränken, Grundrechte auszuhebeln oder wenigstens für nachrangig zu erklären.

Ich habe irgendwann und vor Monaten gehört, Sie wollten die Beeinträchtigungen für die Bürger und Bürgerinnen so gering wie möglich halten.

Glauben muss ich auch das nicht.

Was ich nicht höre, waren und sind breite Ankündigungen über Informationsveranstaltungen. Auch vorgebrachte Sorgen von Bürgerseite werden eher beiseite gewischt, als seien sie unbegründet.

Da sind Einzelhändler, dies sich Umsatzeinbußen genauso wenig leisten können wie beschädigte Geschäftsräume. Eltern, die Angst um ihre Kinder haben. Menschen, die Ihnen im Zweifel bei der letzten Wahl sogar ihr Vertrauen ausgesprochen haben.

Gleichzeitig sprechen Sie über Sicherheitszonen, Durchlass- und Kontrollzonen, tausende Beamte und gelinde gesagt schweres Gerät.

Etwas ähnliches haben wir bereits zum OSZE erlebt. Und Sie treten die Menschen wie das Vertrauen mit frisch geputzten Schuhen.

Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen:
Jeden Tag fahre ich morgens und abends mit dem Fahrrad an den Messehallen vorbei. Und jeden Abend zähle ich die Polizeifahrzeuge, Beamten und Waffen, die sie tragen.

Jetzt könnten Sie einwenden, das müsste ich nicht. Weder dort vorbei fahren, noch irgendetwas oder -jemanden zählen.

Richtig, das müsste ich nicht, würde ich mich nicht daran stören, dass Sie mich fast schon zwingen, von meinen alltäglichen Gewohnheiten Abstand zu nehmen, wenn ich der Ansammlung von Uniformen und Schusswaffen aus dem Weg gehen will.

Manchmal suche ich das Gespräch mit den - übrigens nicht durchweg freundlichen - Beamten, um beispielsweise darauf hinzuweisen, dass ein Gefährt auf unnötige Weise den Fahrradweg blockiert. Neulich wanderten die Finger eines Beamten über sein Holster, während ich sprach.

Das soll mich nicht einschränken und mir gleichzeitig ein Gefühl der Sicherheit vermitteln?

Sie werden das Ungleichgewicht, in dem Sie sich bewegen heute genauso wenig bemerken, wie Sie es 2013/ 2014 bemerkten, als Teile der Stadt für Lampedusa aufstanden oder wie Sie es 2015 nicht bemerkten, als Ehrenamtliche Hilfe für Geflüchtete aus dem Hamburger Asphalt stampften, die bis heute aktiv funktioniert, wo Sie nachhaltig versagten.

Sozial und anständig wollten Sie sein, ich bin sicher - davon scheint nicht viel übrig geblieben. Und Sie werden all das nicht hören, noch sich die Stadt aus einer anderen Perspektive als der Ihren besehen.

Vielleicht haben Sie vergessen, dass Sie in erster Linie uns, die Bürger und Bürgerinnen, zu vertreten haben. Man wird mit der Zeit betriebsblind, nicht wahr?

Ich wünschte jedoch Ihnen, uns und nicht zuletzt der Stadt, dass Sie zum Anstand zurückfinden.

Donnerstag, 1. Juni 2017
1. Brief
verschickt per E-Mail am 2. Juni 2017


Lieber Herr Scholz,

der Sommer hat Einzug gehalten und mit ihm verkürzt sich die Zeit bis zum G20-Gipfel täglich. Etwa fünf Wochen haben wir noch, nicht wahr?

Je näher die "Veranstaltung" rückt, desto lauter stellen sich Fragen, auf die Sie, Herr Grote, Herr Droßmann, Ihre Fraktion, der Polizeiapparat und schließlich auch Teile der Opposition die Antwort schuldig bleiben.

Herr Grote beispielsweise sprach von einem "Festival der Demokratie". Es solle keine Demonstrationsverbote geben, wurde erklärt.

Lassen Sie mich eine Frage stellen:
Wie anders als Verbote sollen wir - die Bürger/ Bürgerinnen dieser Stadt - es werten, werden Mahnwachen in Hinterhöfen untersagt oder plötzlich wieder über längst genehmigte Demonstrationsrouten wie Schlusspunkte verhandelt werden muss?

Sie werden vielleicht verstehen, dass die großzügige Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes irritierend wirkt.

Natürlich müssen Sie als Gastgeber, und ich formuliere bewusst "Sie" im Sinne Ihrer Person und des Senats, denn 83% der Hamburger/ Hamburgerinnen zögen es laut einer Umfrage des Hamburger Abendblattes vor, die Stadt zu den Gipfeltagen zu verlassen, gewährleisten, dass Ihre Gäste sicher und möglichst unbehelligt durch die Stadt kommen. Allerdings ist es zumindest fragwürdig, einer annähernd autonom handelnden Versammlungsbehörde zuzugestehen, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Gutdünken auszuhebeln.

Erklären Sie mir, wie zum Beispiel eine Mahnwache in einem Hinterhof eine Gefahr für gepanzerte Fahrzeuge darstellen soll, zumal wenn wir davon ausgehen, dass sich das in diesem Fall betroffene Gängeviertel nicht im Bereich der von Staats- und Regierungschefs frequentierten Routen befindet?

Sie werden sicher nachvollziehen können, dass solche Maßnahmen sowie die Empfehlung Ihres Innensenators an Demonstrierende, auf Leben und Gesundheit zu achten  und besser aus dem Weg zu gehen, als sich eben in den Weg zu stellen, seltsam anmuten.

Die Versammlungsfreiheit, lieber Herr Scholz, ist ein grundrechtlich verbrieftes Gut. Es gewährleistet dass Menschen sich zu politischen Zwecken, friedlich und ohne Waffen unter freiem Himmel versammeln dürfen, wie Sie sicher wissen.

Die Einrichtung einer sog. blauen Zone, in welcher das Versammlungsrecht - sagen wir - flexibel angepasst werden kann, erinnert erstens auf eine sehr unschöne Weise an die 2014 errichteten Gefahrengebiete und stellt zweitens die Protestierenden unter eine Art Generalverdacht.
Die Schlussfolgerung aus einer solchen Zone kann nämlich gar nicht anders lauten, als dass davon ausgegangen wird, dass jede Demonstration zwangsläufig eskalieren muss.

Erklären Sie mir, wie das mit Rechtsstaatlichkeit und wehrhafter Demokratie zu vereinbaren ist, denn ich habe an diesem Punkt tatsächliche Verständnisprobleme. 

Die Demonstrationsangebote reichen von studentischen Veranstaltungen bis zu "Tanzen gegen G20".

Mit der Art der Handhabung stellen Sie die mutmaßlichen gewaltbereiten Demonstrierenden, die Herr Grote seit Wochen wie ein Mantra beschwört und die der Versammlungsbehörde/ Polizei als Rechtfertigung für ihre Maßnahmen dienen, vor oder gar über jene, die erstens in der Überzahl sein dürften und denen zweitens an einer friedvollen Kundgabe ihrer Meinung zu G20 gelegen ist.

Dies alles hat nicht nur wenig, sonder nichts mit einem "Festival der Demokratie" zu tun. Vielmehr wird Hamburg einmal mehr zu einer Stadt, in der die Bürger/ Bürgerinnen außer Acht gelassen werden.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf die nahezu menschenverachtende Unverschämtheit, ausgesprochen von Herrn Droßmann, verweisen, dass Obdach- und Wohnungslose sich aus den Sicherheitszonen zurückziehen oder bestenfalls gleich die Stadt verlassen sollten.

Die Einschränkungen wollten Sie so gering wie möglich halten, stattdessen aber tauchen in unerquicklicher Regelmäßigkeit Meldungen auf, die das ganze Gegenteil sind.

Sie können selbstverständlich in Zweifel ziehen, dass die Umfrage des Hamburger Abendblatts als repräsentativ gelten kann, dennoch haben viele Hamburger/ Hamburgerinnen angegeben, die Stadt lieber verlassen zu wollen, als dem Spektakel beizuwohnen.

Ich will ca. 5 Wochen vor dem Startschuss - obwohl es sich bei der gesteigerten Polizeipräsenz in der Stadt seit Wochen, wenn nicht Monaten beunruhigen überwacht anfühlt - nicht darüber diskutieren, ob der Gipfel als solches sinnlos oder -voll ist. Auch nicht darüber, dass die Wahl des hauptsächlichen Veranstaltungsortes denkbar unglücklich ist.

Sie gehen davon aus, dass Hamburg Nutzen aus dieser Veranstaltung ziehen kann und wird, der Bilder wegen, die um die Welt gehen werden, die unserer Hansestadt als die Weltstadt zeigen, die sie zu sein behauptet.

Ich wünsche vor allem uns Bürgern/ Bürgerinnen, dass Sie recht behalten - allein, mir fehlt der Glaube.

Denn bisher, lieber Herr Scholz sehe ich nicht viel mehr als die Einschränkungen derer, die hier leben und für die Sie als Bürgermeister verantwortlich zeichnen, ganz gleich ob Blankeneser Kaufmann oder Neustädter Wohnungsloser und eine weite Ausdehnung der Verhältnismäßigkeit zu Ungunsten derer, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlung wahrzunehmen gedenken.

Das ist, wie Sie vielleicht einsehen werden, weder besonders weltmännisch oder -offen, noch etwas woraus die Stadt Nutzen ziehen kann.

Schlussendlich werden Sie, der Senat und weite Teile der Opposition sich die Ergebnisse dieses Gipfels an- und zurechnen lassen müssen. Und zwar sowohl jene, die an den Verhandlungstischen zustande kommen (oder eben auch nicht), als auch die Bilder der Demonstrationen, die mit Sicherheit um die Welt gehen werden. 

In der Hoffnung auf Antwort und mit freundlichen Grüßen


Donnerstag, 8. Juni 2017
2. Brief
verschickt per E-Mail am 9. Juni 2017

Lieber Herr Scholz,

wie schnell eine Woche vergehen kann und tatsächlich erwartungsgemäß erhielt ich keine persönliche Antwort auf mein erstes Schreiben. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich trage Ihnen das nicht nach - Sie sind ein vielbeschäftigter Mann.

Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, Einiges aufzugreifen, das ich in der vergangenen Woche gehört und gelesen habe. Ich befinde mich hier im Dialog, wenn Sie so wollen.

Die Berichterstattung nimmt in diesen Tagen auch überregional Fahrt auf. Sie werden die Schlagzeilen vermutlich ebenfalls aufmerksam verfolgen. 
Es will fast typisch oder vorprogrammiert erscheinen, dass reichlich über die zu erwartenden gewaltsamen Proteste geschrieben wird. Herr Münch, Präsident des BKA, beispielsweise wird von mehreren Blättern dahingehend zitiert, dass er mit Ausschreitungen rechne.

Nun steht außer Frage, dass Sie die Berichterstattung oder auch die Äußerungen von Herrn Münch nicht zu verantworten haben. Aber im Hinblick auf den Sprachgebrauch der Ihnen und Herrn Grote sowie den Behörden gemein ist, lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit feststellen.

Immer wieder erstaunt mich, wie wenig auf die Deeskalation im Vorfeld gesetzt wird. Ich persönlich lehne jede Form von Gewalt strikt ab - auch solche verbaler Natur. 
Es ist durchaus möglich, Konflikte herbei zu schreiben oder zumindest die Stimmungslage aufzuladen. 
Es liegt mir fern, zu unterstellen, dass dies bewusst geschieht, aber es geschieht und folgt damit einem Muster oder dem Bemühen die Deutungshoheit über die Ereignisse im Vorfeld zu gewinnen.
Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich an dieser Stelle einfügen, dass ich nicht negiere, dass es gewaltbereite Gipfelgegner gibt und sich Hamburg sehr wahrscheinlich auch mit diesen wird auseinandersetzen müssen. 
Sie werden mir aber hoffentlich zustimmen, wenn ich die Behauptung, diese potenziellen Gewalttäter stellen eine Minderheit dar, bekräftige.

Das jedoch nur nebenbei, denn wir waren eigentlich thematisch gerade bei der Deutungshoheit.
Ein Beispiel: 
Die Nachricht, das Verwaltungsgericht habe die Protestcamps, welche das Bezirksamt Hamburg-Nord hat untersagen wollen, erlaubt - das muss ich unumwunden zugeben - finde ich erfreulich und zwar insbesondere aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Grundordnung.
Das Verwaltungsgericht stellt, grob umrissen, fest, dass nach heutigem Wissenstand, davon auszugehen ist, dass die Camps dem Versammlungsrecht unterliegen.
Der Innensenator - zumindest so meine Erinnerung mich nicht täuscht - dagegen hat sich vor einiger Zeit bereits dahingehend geäußert, dass Protestcamps eben nicht der friedlichen Versammlung dienen sollen. 
Sie werden sicher verstehen, was ich anhand dieses Beispiels zu verdeutlichen versuche und weshalb ich in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einen kleinen Erfolg - ärgerlich genug, dass es nötig ist, diese Entscheidungen in zunehmenden Fällen gerichtlich einfordern zu müssen - für die Grundrechte sehe. 
Im ersten Moment dachte ich an den Grundsatz "in dubio pro reo", denn letztlich werden die Protestierenden eben unter Verdacht gestellt, böswillig und gewaltsam zu handeln sowie sich nur zu diesem Zwecke vernetzen zu wollen.
Doch, es ist eine sehr gute Nachricht, dass die Judikative dieser Meinung hier nicht gefolgt ist. 

Darüber hinaus, und möglicherweise haben Sie hier einen anderen Blickwinkel, ist ebenfalls erfreulich, dass die Gipfelgegner mit der Erlaubnis, Camps im Stadtpark zu errichten, eine Fläche des Austauschs und der Diskussion sowie Unterbringung schaffen können. 
Sollte nicht auch für die Protestierenden bestmöglich gesorgt sein, zumal, wenn wir uns danach richten und ernst nehmen, dass Herr Grote die Veranstaltung - vermutlich mit allem, was zu ihr gehört und das schließt die Proteste ein - ein Festival der Demokratie genannt hat? 
Frei nach dem Motto "Gleiches Recht für Alle".

Da wir schon über Recht und Rechte sprechen, darf ich Ihnen eine Frage stellen:
Am gestrigen Mittwoch, 7. Juni 2017, waren Sie in den Räumen der Patriotischen Gesellschaft von 1765 zu Gast und sprachen eine Stunde lang über den Gipfel. 
Auf Herrn Dudde als Einsatzleiter angesprochen respektive die Frage, weshalb Herr Dudde eben für diesen Posten ausgewählt wurde, lautete Ihre Antwort, Herr Dudde könne das und er könne das gut. Die Nachfrage bezüglich der gerichtlich festgestellten Unrechtmäßigkeiten bei Einsätzen, die Herr Dudde zu vertreten hatte, beschieden Sie dem Fragesteller sinngemäß, erfolgreiche Menschen stünden häufig in der Kritik. 
Während ich diesem kurzen Gespräch zwischen Ihnen und dem Fragesteller folgte, stellte sich mir und das tut sie noch immer, die Frage, ob die Antwort "Der kann das gut" ausreichend ist, um eine solch entscheidende Aufgabe wie die Einsatzleitung an einen Mann zu vergeben, der vorsichtig gesprochen nicht für sein deeskalierendes Verhalten bekannt und in Wasserwerfern eine weit weniger schlimme Waffe sieht als beispielsweise in Schlagstöcken. 
Sie werden vielleicht verstehen, dass ich erfreut über eine - sagen wir - dezidiertere Erklärung wäre, als "der kann das gut". 

Übrigens sprach ich unlängst mit einem seinen Dienst im Sinne des Objektschutzes der Messe verrichtenden Beamten. Ich möchte kurz feststellen, dass es sich nicht um einen Hamburger Polizisten gehandelt hat.
Angesprochen darauf, weshalb das Einsatzfahrzeug auf dem Fahrradweg geparkt war, erklärte der Mann mir sehr freundlich, dass die Fahrzeuge Sichtkontakt untereinander halten müssten, um die Reaktionszeit im Falle eines Falles zu verkürzen. Die Nachfrage, ob sich in den Wochen und Monaten, in denen die Präsenz derart verstärkt wurde, am Tage ein Angriff oder die Andeutung eines solchen ereignet habe, der dieses Vorgehen wenn schon nicht rechtfertigen so doch wenigstens verständlicher machen würde, schüttelte der Beamte nicht nur den Kopf, sondern versicherte mir, ich könne ihm Glauben schenken, die Beamten würden es auch lieber anders haben.
Und wissen Sie was, lieber Herr Scholz? Tatsächlich glaube ich das. Haben Sie die Wutrede des anonym bleiben wollenden Polizisten gelesen?
Falls dem nicht so sein sollte, lege ich Ihnen die Worte ans hanseatische Herz. 

Nicht nur, weil viele richtige Fragen gestellt werden, sondern besonders auch, um Ihnen ein besseres Gefühl dafür zu vermitteln, was Sie auch den Beamten zumuten.

Sie haben am gestrigen Tage sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir beginnen über die Inhalte zu sprechen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass man sich nicht zu viel erhoffen sollte, soweit es die Ergebnisse betrifft. Hauptsächlich war es Ihnen, meiner Wahrnehmung nach, ein Anliegen, deutlich zu machen, dass es gut, wichtig und richtig ist, dass bestimmte Themen nun auf dem Tisch liegen und darüber gesprochen wird.
Grundsätzlich bin ich sehr Ihrer Meinung, dass miteinander zu sprechen stets mehr Aussicht auf Erfolg gleich welcher Art birgt als übereinander zu reden. 
Jedoch, verzeihen Sie mir eine gewisse Spitzfindigkeit an dieser Stelle, die Themen wie Protetkionismus, freier Handel, Kriege, Klimawandel und Fluchtbewegung liegen seit Jahren auf verschiedenen Tischen. 
Und auch wenn Ihr kleiner Exkurs in die Entwicklungsgeschichte des G20 höchst interessant war, so bleibt am Ende die Frage, warum eine solche Veranstaltung, der Sie von Beginn an die Möglichkeit große oder nur nennenswerte Ergebnisse zu Tage zu fördern, absprechen, in einer Millionenstadt stattfinden muss.
Sagen Sie jetzt bitte nicht der Infrastruktur wegen. Diese Antwort macht mich müde und erscheint mir zu einfach. 

Sei es drum, ich hatte Ihnen vergangene Woche zugesichert, mich nicht in Anmerkungen über die angeblich alternativlose Wahl des Veranstaltunsortes zu verlieren, und so will ich es dabei bewenden lassen.

Kommen wir also zurück zur Sache, den Inhalten - und damit will ich für heute schließen. 
Wissen Sie, es entsteht zunehmend der Eindruck, ob gewollt oder nicht, dass Sie - was eine furchtbar abgenutzte Formulierung ist - die Bürger / Bürgerinnen dieser Stadt nicht so recht ernst nehmen wollen. Das gilt übrigens nicht nur für Sie allein, sondern auch für Herrn Grote. 
Sie können den Gedanken nicht mögen, dennoch darf ich Ihnen versichern, dass viele Menschen hier - Sie erinnern sich an die 83 % - Unsicherheit und Angst verspüren.
Das mag kein originärer Inhalt des Gipfels sein, aber es ist wenigstens eine (unschöne) Begleiterscheinung. Wischen Sie das nicht einfach so beiseite.
Das sind Menschen, die - ich wiederhole mich - Ihnen im Zweifel das Vertrauen ausgesprochen haben. 
Man kann Sie wohl guten Gewissens als einen Stadtvater bezeichnen. Lassen Sie sich das Wort einmal auf der Zunge zergehen, nachdem wir heute schon festgestellt haben, dass Sprache ein überaus bedeutsames Instrument ist.
Da steckt nicht nur "Stadt" drin, sondern eben auch der "Vater" - eine Vertrauensfigur, jemand zu dem man aufsehen kann, der verlässlich ist, sich kümmert und sorgt.
Seien Sie ein Stadtvater, der sich nicht nur um die Gäste, sondern um die Bürger / Bürgerinnen seiner Stadt kümmert. 
Die Bedenken der Menschen sind berechtigt, genauso wie ihre Ängste, schlicht weil die Menschen diese so empfinden. 
Spielen Sie das nicht herunter, versuchen Sie vielleicht sogar einen Perspektivwechsel.

Eigentlich hatte ich in diesem Zusammenhang auch noch die Äußerungen von Herrn Grote am vergangenen Dienstag, 6. Juni 2017, zu hören bei NDR 90,3 an- und mit Ihnen besprechen wollen.
Aber das verschieben wir einfach auf die nächste Woche.

Ich verbleibe erneut mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf Antwort 


Donnerstag, 15. Juni 2017
3. Brief
verschickt per E-Mail am Freitag, 16. Juni 2017

Lieber Herr Scholz,

nachträgliche Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag. Wie geht es Ihnen diese Woche?
Mich finden Sie etwas ungehalten vor, weshalb ich mich auch nicht mit langen Vorreden aufhalten will.
Natürlich, dazu lebe ich schon zu lange in Hamburg, habe ich nicht ernsthaft damit gerechnet, dass die Demonstrationsverbotszone oder der Transferkorridor, wie die offizielle wie irreführende Bezeichnung lautet, der Stadt erspart bleibt. 
Jedoch, 38 Quadratkilometer, begründet auf 66 Seiten einer Allgemeinverfügung, die wieder die Staats- und Regierungschefs in das Zentrum setzt - das sage ich Ihnen ganz offen - haben mich zwar weniger erstaunt, aber nachhaltig verärgert.

Die Radikalität in den Maßnahmen wie der Sprache nimmt zu. Beides ist unerfreulich. Und immer wieder ruft sich das Versprechen, die Einschränkungen für die Bürger/ Bürgerinnen so gering wie möglich zu halten selbständig in Erinnerung. 
Inzwischen mutet es beinahe höhnisch an.

Wissen Sie, was ich nicht verstehen kann? Wenn - und ich will nicht so weit gehen, von Überforderung zu sprechen, denn eine Beurteilung dessen steht mir erstens nicht zu und ist zweitens polemischer Natur - es so dringend und unabdingbar nötig ist die Vertreter der Regierungen vor uns, also der Bevölkerung, zu schützen und uns unserer Rechte zeitweise zu nehmen, was bleibt dann noch von dem angeblich demokratischen Charakter der Veranstaltung übrig.

Sie werden den Satz "Wer eine solche Veranstaltung nach Hamburg holt, lädt sich auch den Protest ein." sicher sehr viel öfter gehört haben, als ich ihn in den vergangenen Wochen gelesen habe. 
In seiner Essenz scheint er aber nicht durchgedrungen zu sein. 
Der Protest gehört genauso dringend und unabdingbar zu dieser Veranstaltung wie der Schutz Ihrer Gäste. 
Was für einen Eindruck vermittelt die Freie und Hansestadt Hamburg in die Welt, wenn sie nicht in der Lage ist das freiheitliche wie demokratische Gleichgewicht zu gewährleisten.

Die Proteste würden nicht an den Rand gedrängt, lässt sich Herr Grote vernehmen. 
Nun, 38 Quadratkilometer sprechen eine andere Sprache. 
Vielleicht werden Sie denken, wir drehen uns hier im Kreis. Und auch ich gehe sehr wohl davon aus, dass sich die Unterschiedlichkeit unserer Standpunkte in dieser Frage nicht überwinden lässt.
Darum geht es aber auch nicht. Erfreulicherweise muss eine Debatte nicht darin enden, den Andren zu überzeugen. 
Soweit es mich betrifft geht es um den Vortrag von Denkanstößen, die in dem Druck, den die Ausrichtung - wie ich mir vorstellen kann - für Sie und den Senat bedeutet, dem Gefühl nach unterzugehen zu drohen.

Denn bedenken Sie, Ihre Gäste werden nach wenigen Tagen abreisen, wir als Bürger/ Bürgerinnen dieser Stadt aber bleiben und sicher werden viele die Behandlung, die sie erfahren haben nicht ohne weiteres unter ferner liefen abhaken.
Da nützt es auch nur wenig, wenn überhaupt, dass die Stadt Hamburg einige Museen dafür hat gewinnen können, am 9. Juli 2017 kostenfrei ihre Pforten zu öffnen. 
Das ist, mit Verlaub, ein zu geringes Angebot, um die Strapazen auszugleichen, denen wir ausgesetzt sind.

Das Vertrauen darin, dass es "schon gut gehen" wird, die Verkehrsbehinderungen das größte Problem darstellen werden ist beinahe genauso erschöpft wie die unlängst geforderte Gelassenheit, mit der die Hamburger/ Hamburgerinnen Ihrer Auffassung nach dem Gipfel entgegen sehen sollen.

Wie - und diese Frage stellt sich mir ernsthaft - sollen wir angesichts dessen, was sich bereits im Vorfeld ereignet gelassen bleiben?

Wissen Sie, ich glaube daran, dass eine andere, vielleicht sogar bessere, Welt möglich ist. Eine Welt, in der Achtsamkeit und Bedacht im Umgang wieder an Gewicht und Wert gewinnen. Eine Welt, in der nicht Repression als das einfachste wie effizienteste Mittel gewählt wird. Und eine Welt, in der sich die Menschen gegenseitig mit Respekt behandeln wie ernst nehmen, in ihren Anliegen, Wünschen, Hoffnungen so wie in ihren Sorgen und auch in ihrer Wut. 
Es muss nur jemand damit anfangen.
Warum sind dieser jemand nicht Sie?

Kennen Sie die Fantastischen Vier? "Es könnte alles so einfach sein, isses aber nicht" lautet eine Textzeile.
Nein, das ist es nicht. Es erfordert Mut. Ein Gefühl oder vielleicht sogar eine Eigenschaft, die Seltenheitswert hat in unseren Tagen, meinen Sie nicht?

Wie nun zu lesen war, stellt die Polizei Hamburg am heutigen Donnerstag den Vertretern der Presse Informationen über den wohl größten Einsatz in ihrer Geschichte zur Verfügung.
Der entsprechenden Berichterstattung sehe ich zum einen gespannt und zum anderen mit dem unangenehmen Gefühl, von weiteren Einschränkungen zu erfahren, entgegen.

Auch ist vermehrt zu lesen, dass die Behörden mit Ausschreitungen rechnen. Das steigert die Auflage, natürlich. 
Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass es zu Ausschreitungen kommt, ebenso wenig wie sich wohl Terrorakte vollkommen ausschließen lassen, wobei Herr Grote nicht müde wird, zu verlautbaren, es gäbe keine konkreten Hinweise - dem Universum sei Dank, möchte ich an dieser Stelle anmerken. Und man ist überdies behördenseits absolut gegen die Protestcamps.
Die Radikalität in der Sprache nimmt zu. Anstatt in der Uneinigkeit einen respektvollen Umgang zu pflegen, verhärten sich die Fronten und Forderungen.
Spaßeshalber gestatten Sie die Frage, auch wenn sie hypothetischer Natur ist: 
Würden sich die Anmelder der für den 6. Juli geplanten Demonstration sowie alle Teilnehmer von Gewalt distanzieren, wäre das zufriedenstellend? 
Oder würden man - und das möchte ich für beide "Seiten" verstanden wissen - weiter mit den Säbeln rasseln?

Vergessen Sie bitte nicht, zu wessen Lasten das Zähne fletschen und Muskel flexen geht:
Zu Lasten der normalen Bürger, die sich unter Umständen mit der Welt- wie Stadtpolitik nicht einverstanden erklären, ob in Teilen oder im Ganzen und dies kommunizieren wollen.
Ihnen nehmen Sie auf 38 Quadratkilometer die Möglichkeit dazu, weil wie Herr Meyer zu vernehmen war, es die am wenigsten einschränkendste Maßnahme ist.
Nun, wenn man die Grundrechte, Freiheit und den Rechtsstaat für verhandelbar hält, mag das sogar stimmen.

Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf Antwort 


Donnerstag, 22. Juni 2017
4. Brief
verschickt per E-Mail am Freitag, 23. Juni 2017

Lieber Herr Scholz,

ist diese letzte Woche nicht wie im sprichwörtlichen Fluge vergangen? Und was ich nicht alles habe lesen müssen:
Von vier Meter hohen Schutzwänden, die von Frankreich entliehen werden, als rechnete man mit dem Sturm auf die Bastille oder wenigstens die Messe.
Von Drohnen und allerlei schwerem Gerät, der Festung Hamburg.
Von großen Unternehmen, die - ähnlich wie Schulen und Kindertagesstätten - "gipfelfrei" geben.
Von einem Unternehmen, das seine Kunden über Verzögerungen und sogar die Unmöglichkeit der Lieferungen unterrichtet. 
Von Grenzkontrollen, steigenden Zahlen der Beamten wie gleichermaßen der als gewaltbereit eingestuften Gipfelgegner - 20 wie 10 Tausend sind Größenordnungen, die ich mir weder vorstellen möchte noch ohne weiteres kann. 
Von einer teuren Gefangenensammelstelle, in der 400 Menschen Platz finden können.
Von der Unterbringung des amerikanischen Präsidenten im senatseigenen Gästehaus, dessen Sicherheitsstab möglicherweise von den vorgegebenen Protokollstrecken abweichen wird.
Von dem saudischen König, welcher gleich ein ganzes Hotel mietet. 
Von den Warnungen der Hamburger Polizei, gerichtet an die ausländischen Sicherheitskräfte, das Verhalten betreffend.
Von der Kanzlerin, die friedlichen Protest ausdrücklich begrüßt und von dem Beginn des Polizeieinsatzes in eben dieser Woche.
Und schließlich von drei Eilaträgen gegen die Allgemeinverfügung.
Seien Sie nicht besorgt, um die Allgemeinverfügung und die "suspendierten" Grundrechte soll es heute nur am Rande gehen.

Haben Sie gewusst - vermutlich haben Sie das - dass die Stadt Genua im Vorfeld des G8-Gipfels im Jahr 2001 angeblich ganze 200 Leichensäcke beschaffen ließ?
Ich stelle die Frage, ob die Stadt Hamburg sich ähnlich vorbereitet haben könnte, absichtlich und aus zwei Gründen nicht. Zum einen möchte ich mir die Antwort darauf ersparen, denn es besteht doch eine 50%ige Möglichkeit, dass sie auf "Ja" lautet und zum anderen könnten Sie mir vorhalten, Hamburg sei nicht Genua und G8 eben nicht G20 - auch wenn das eine die historische Grundlage des anderen, heutigen Formats ist, nicht wahr?

Der Aufrichtigkeit halber möchte ich nicht auslassen, dass die - nun sagen wir - Materialschlacht und das Bestehen auf einem Ausnahmezustand nicht unbedingt ein wohliges Gefühl erzeugen. Eher verstärkt sich der Eindruck, dass ein unbehelligtes Durchkommen in den Tagen rund um den und des Gipfels selbst nahezu unmöglich seien wird.
Es ist eine Sache, Verbotszonen zu errichten oder Protest im Vorfeld fast generalisiert zu kriminalisieren, wobei vermutlich sich spätestens bei der, wie ich las, ersten und für den kommenden Sonntag angemeldeten Demonstration zeigen wird, wie sich das aufeinander treffen von Protest und Einsatzkräften gestalten mag. 
Das schwere Gerät jedoch erzeugt ein zusätzliches Angstgefühl.

Unlängst sagten Sie sinngemäß, es erfordere nicht viel Mut in einer freien Gesellschaft und Demokratie, den Protest auf die Straße zu tragen und stellten in diesem Zusammenhang auf einen Vergleich zu China - so meine Erinnerung mich nicht trügt - ab.

Nun, ich möchte Ihnen selbstredend nicht dahingehend widersprechen, dass Deutschland ein freies wie demokratisches Land ist, in dem die Meinungsfreiheit hochgehalten wird, was für China kaum gelten kann.
Jedoch glaube ich im Gegensatz zu Ihnen, dass es auch hier in unserer Freien und Hansestadt, Mut erfordert, Protest zu artikulieren und in den öffentlichen Raum zu transportieren.
Auch Sicherheits-, Kontroll- und Verbotszonen, Kameras im öffentlichen Raum, tausende Einsatz- und Sicherheitskräfte, deren Berechenbarkeit ja offenbar auch für die den Einsatz leitende Hamburger Polizei nicht verlässlich einzuschätzen ist, können als repressiv empfunden werden.
Doch, ich kann mir lebhaft vorstellen, dass nicht Wenige sich zumindest sorgen oder gar davon Abstand nehmen, sich an einem der vielfältigen Protestangebote zu beteiligen. 
Ganz unabhängig davon, dass es bei den Protesten nicht nur um die aktuelle Politik, die unser Weltgeschehen bestimmt geht, sondern dieser für manche auch personenbezogen zu seien scheint; will man doch eben jenen Regierungsvertretern Chinas oder Saudi-Arabiens, Putin, Erdogan oder sogar Trump vor Augen führen, wie in einer freien, einer demokratischen Gesellschaft mit Protest umgegangen wird und dass es sehr wohl zum Bild dieser Gesellschaften gehört, unabdingbar sogar, sicht- und hörbar zu protestieren. Eine Verbotszone in der angestrebten Größe stellt da zumindest ein Hindernis dar, wenn sie den Protest nicht gar unmöglich erscheinen lässt.
Aber ich schweife von den eigentlichen Punkten, die ich mit Ihnen hatte besprechen wollen, ab.
Verzeihen Sie daher die ausführliche Vorrede und lassen Sie uns zum heute Wesentlichen kommen:

Mehrfach habe ich Sie in den vergangenen Wochen geradezu aufgefordert, Ihre Perspektive zu wechseln. 
Es wäre kaum gerecht, wenn ich im Gegenzug nicht zumindest versuchte, dieser Forderung selbst nachzukommen und so will ich mich in der Folge um einen solchen Perspektivwechsel bemühen, ohne die Gewähr, dass dies gelingt.

Sie wünschten sich mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Gipfel. Und so stellte ich die Überlegung an, ob wir Bürger/ Bürgerinnen nicht global genug denken?
Natürlich liegt es in der Natur des Menschen zunächst seine eigenen Befindlichkeiten, Sorgen, Nöte zu betrachten, bevor er sich dem Großen, dem Ganzen widmet.
Angesichts der zu verhandelnden Themen wie dem Klimawandel, der Fluchtbewegung, der Armut, dem Hunger und den Kriegen, welchen sich die Welt ausgesetzt sieht, sollten da nicht die Einschränkungen durch Sicherheitskontrollen, geschlossene Schulen und Ladengeschäfte oder Verkehrsbehinderungen als hinnehmbar und geringfügig zu werten sein? War es das, was Sie mit der gewünschten Gelassenheit zu beschreiben versuchten?
Ja, vermutlich sollten sie das. Die Lästigkeit solcher Maßnahmen und daraus resultierende Gegebenheiten sollte nicht die Bedeutung der Frage überlagern - in die am Ende wohl alle zu verhandelnden Themen münden müssen - in welcher Art Welt wir leben wollen.
Und bliebe es bei diesen Maßnahmen, so wäre die Überlagerung vermutlich - so viel Verstand darf den Bürgern/ Bürgerinnen zugetraut werden - in einer solch aufgebrachten Heftigkeit, wie wir sie erleben, nicht gegeben. 
Wenn wir aber nun davon ausgehen, die "Sicherheitsdebatte" müsse beiseite geschoben werden, um Platz für die eigentlichen Themen zu machen, bleibt damit nicht die Frage, ob damit nicht gleichzeitig ein Thema, das möglicherweise von den Verhandlungen ausgenommen ist, aber doch über dem Gipfel schwebt, nicht ins Hintertreffen gerät: die Verteidigung demokratischer Werte, eine freiheitliche Lebensart nämlich. 
Sie sehen, es fällt mir schwer, das augenscheinlich Untrennbare zu trennen.
Versuchen wir uns vorzustellen, Hamburg würde nicht zu einer Festung gerüstet, stellen wir uns vor die Einschränkungen würden sich auf ein Minimum beschränken. Würden wir dann über die Frage sprechen, welche verschiedenen Positionen die Staats- und Regierungschefs in den drängenden Fragen unserer Zeit vertreten und wie sich ein gemeinsamer, sei es auch ein kleiner, Nenner finden ließe?

Es ist gut, richtig und nicht zuletzt wichtig, dass die Mächtigen miteinander sprechen, die Probleme der Welt, welche derart aus den Fugen geraten scheint, dass man sich beinahe fragen muss, ob die Schultern des Atlas müde geworden sind. 
Soweit haben Sie, das wiederhole ich hier gern, meine Zustimmung.
Aber inwieweit wird denn wirklich und vor allem mit einer schonungslosen Ehrlichkeit bar den diplomatischen Gegebenheiten miteinander gesprochen, wozu ein persönliches Treffen, an dessen Ergebnisse keine Erwartungen gestellt werden sollten, und bei im Vorfeld geschriebener wie vermutlich doch ebenfalls gelesener Communiqués?
Sehen Sie, es ist schwer nachzuvollziehen, wozu überhaupt, wenn nicht einer teuer bezahlten Medienwirksamkeit und des überragenden Klangeerlebnisses im Großen Saal der Elbphilharmonie wegen.
Vielleicht aber ist es hier zu kurz gedacht, dass dem scheinbar im Vorfeld abgestimmten kleinsten Nenner zum Trotz, das sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen in kleinen Gedanken eben nichts mehr zu bewegen vermag, die irgendwann zu Veränderungen heranwachsen.
Natürlich sind die großen Weltprobleme vom heimischen Sofa aus so viel leichter zu lösen, haben die, die sich in Protesten gegen die aktuelle Politik und das Format eines G20-Gipfels wenden leicht reden - wie wenig wollte ich in Ihren Schuhen auch nur einen Schritt zu gehen verdammt sein - und doch mutet es zuweilen an, als wäre der Glaube der Politik verloren gegangen.
Der Glaube daran oder, wenn es angenehmer klingt, das Vertrauen darin, dass eine andere Welt in ihren utopischen Startlöchern steht, darauf wartend, losgelassen und aufgebaut zu werden.

Der vorgestrige Dienstag, Sie werden es wissen, trug die Überschrift "Weltflüchtlingstag" und die UNHCR wusste zu berichten, 2016 seien 65.600.000 Menschen auf der Flucht gewesen. 
Zwar wünschte ich, diese Zahl würde sich für dieses Jahr merklich nach unten korrigieren, angesichts der Weltlage aber fehlt mir das Vertrauen.
Und tragen nicht die Mächtigen, die Industrieländer wohl vorrangig, auch Schuld oder weniger pathetisch, wenigstens Verantwortung daran?
Schon in der Erklärung des G20-Gipfels 2015 ist zu lesen, dass das soziale Ungleichgewicht als Risiko für den sozialen Zusammenhalt, das Wohlergehen der Bevölkerung, Risiko für das Wirtschaftswachstum und die gesellschaftliche Stabilität er- und anerkannt wird. 
Vor nunmehr 24 Monaten also stand die Welt vor ähnlichen, wenn nicht sogar den gleichen, wenn auch inzwischen gewachsenen Schwierigkeiten wie dieser Tage.
Angesichts der Zahlen, die uns die Fluchtbewegung vor Augen hält, angesichts von Waffenlieferungen, Profiten und Kriegen, will das Vertrauen darin, dass die Gespräche in diesem Jahr Veränderungen, ja spürbare Ergebnisse nach sich ziehen werden, erschöpft in sich zusammenbrechen. 
Selbst in unserer Stadt - und damit will ich mich dem Schlusswort für heute nähern, den Versuch des Wechsels der Perspektive an dieser Stelle für beendet erklären, wohl wissend, dass er nicht gut gelungen ist - will es mit der Gerechtigkeit und Gleichheit doch kaum funktionieren.

In der Behandlung der Schwächsten unserer Gesellschaft legen wir die Messlatte des Anstandes zuweilen sehr niedrig an und daran schließt sich die Frage an, was wird der Gipfel für die Stadt Hamburg selbst bedeuten, ergeben sich Chancen daraus?
Sehen wir also von den offenkundigen Gefahren einer gewalttätigen Auseinandersetzung ab, die an dieser Stelle ganz bewusst ausgeklammert bleiben soll, so bleibt die Frage, wie der Fokus auf die Schönheit und den Glamour der Stadt ihre Glaubwürdigkeit als Gastgeberin stärken?

Ähnlich wie diesen Gipfel wollte ein großer Teil der Hamburger/ Hamburgerinnen auch den Bau der Elbphilharmonie nicht. Und selbst wenn der Ansturm auf die Karten im Heute kaum zu bewältigen scheint, darf die Hoffnung, dass auch hinsichtlich des Gipfels etwas Positives zurück bleibt, nicht über den Wasserstand der Elbe bei Ebbe hinauswachsen.

Die Schönheit der Stadt, und sie ist zweifellos bildschön wie repräsentativ, die Sie eben zu präsentieren gedenken, gründet in den Tagen des Gipfels nicht zuletzt darauf, die städtischen Problemzonen zu verstecken, zu verdecken. 
Hamburg ist das Tor zur Welt, das dieser Tage als "Festung" beschrieben wird - schmerzt Sie das nicht auch? - und als solches vielleicht sogar ein Beispiel für vieles und namentlich soziale Ungleichheit, wenn auch - wie Sie einwenden könnten - kaum vergleichbar mit den Ärmsten der Armen; ja, sicher nicht.

Und doch, wenn Hamburg als Gastgeberin eine unaufrichtige oder wenigstens geschönte Präsentation zur Schau stellt, wie sollen sich Ihre Gäste der Aufrichtigkeit in dem Angehen und Lösen der weltumspannenden Problematiken verpflichtet fühlen?
Was glauben Sie, wie lange wird Atlas seine Schultern noch im erschütterten Gleichgewicht halten können? In was für einer Stadt und in was für einer Welt werden wir nach diesem Gipfel leben? 


Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf Antwort



Donnerstag, 29. Juni 2017
5. Brief
verschickt am Freitag, 30. Juni 2017

Lieber Herr Scholz,

nun sprechen wir seit 4 Wochen darüber, wie sich die Vorbereitungen des Gipfels auf die Stadt auswirken, was sie für die Bürger / Bürgerinnen bedeuten - zugegeben ich mehr als Sie - und trotzdem ist längst nicht alles besprochen.

Ich darf Ihnen heute sagen, ich bin entsetzt.
Als ich davon hörte, Sie hätten einen Vergleich zwischen dem Hafengeburtstag und dem G20-Gipfel angestellt, sah ich mich ungläubig nach einer Quelle suchen.
Aber tatsächlich und wenn ich der SHZ glauben schenken darf, sollen Sie wörtlich gesagt haben: 
"Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist."

Mir bleibt nichts anderes übrig, als Ihnen die Frage zu stellen: Leben wir derzeit in derselben Stadt?
Zurückblickend auf die vergangenen Jahre und Hafengeburtstage kann ich mich nicht an vergleichbare Maßnahmen, Einschränkungen sowie Polizeiaufgebote erinnern, wie Hamburg sie im Augenblick (er)dulden muss.
Nicht einmal zum OSZE waren die Zumutungen für die Stadt dergestalt belastend hoch wie sie es dieser Tage sind.
Sie haben für diesen Vergleich durchaus Kritik einstecken müssen, nicht zuletzt auch von Ihrem Koalitionspartner und der stellvertretenden Bürgermeisterin. 
Aus den Reihen der Opposition hielt man Ihnen gar vor, Sie seinen an dem Versuch gescheitert, die aufgeregte oder gar angespannte Stimmung zu beruhigen.
Worauf Sie mit Ihren Worten tatsächlich abzielten, vermag ich weder zu beurteilen - wobei ich für die Beantwortung der Frage höchst dankbar wäre - noch steht es mir zu, in die Interpretation der Aussage einzustimmen; schließlich sind sie nicht Goethe und ich bin keine Literaturwissenschaftlerin.

Aus der subjektiven Sicht einer Bürgerin aber, darf ich Ihnen sagen, dass diese Äußerung geradezu zwischen ärgerlich und verletzend angesiedelt werden muss.
Ärgerlich ist sie, weil sie die "Grundrechtssuspendierung(en)" in weiten Teilen der Stadt sowie sämtliche daraus resultierende wie weitere - in der Innenstadt beispielsweise werden aus den Geschäftsfassaden Bretterbuden, als käme die Veranstaltung eher dem Ausnahmezustand und weniger einem, nun, Volksfest, gleich - Beschränkungen nahezu unter den sprichwörtlichen Teppich zu kehren geeignet ist.
Verletzend derweil ist sie, weil Sie mit einem Satz alle Ängste und Besorgnisse beiseite wischen, das stünde - und das möchte ich explizit als subjektive Wahrnehmung verstanden, jedoch nicht als Interpretation verstanden wissen - zwischen den Zeilen der Aufruf, die Bürger / Bürgerinnen mögen nicht so empfindlich sein.
Möglicherweise tue ich Ihnen furchtbar Unrecht und Sie meinten anders, was Sie sagten. Dennoch stellt sich die Frage, glauben Sie wirklich "manch einer wird sich wundern"?
Wussten Sie, dass selbst in Kisdorf - einem Fleckchen Erde etwa 30 km nördlich von Hamburg gelegen - die G20 bzw. ihr Gipfel, Auswirkungen haben, wie dem "Spiegel", Ausgabe Nr. 25, zu entnehmen war?
Eigentlich sollte dort nämlich in der kommenden Woche das jährliche Drachenfest gefeiert werden.
Angesichts des Gipfels aber sprach das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium ein Verbot aus; verwiesen wurde auf das zwischen dem 6. und 9. eingerichtete Flugbeschränkungsverbot für alle Flüge, einschließlich des Betriebs von Flugmodellen und unbemannten Luftfahrtssystemen. 
Die Veranstalter des Kisdorfer Drachenfestes, zu dem immerhin rund 140 Bastler aus dem gesamten Bundesgebiet ihre bunten wie - wohlgemerkt - angeleinten Fantasiegebilde hatten aufsteigen wollen, das eine Kinderschaumparty, Einradfahren und Bauchtänzer zu bieten hat, zogen ihre Veranstaltung daher um eine Woche vor. 
Sie sehen also, wir müssen nicht einmal über unangenehme Themen wie den Erhalt einer demokratischen Grundordnung in einer Demonstrationsverbotszone oder von Einsatzfahrzeugen gesäumte Straßenzüge sprechen, um uns vor Augen zu führen, wie weitreichend die Beschränkungen sind - auch räumlich gesprochen.

Da mutete es, das werden Sie doch nicht zuletzt aufgrund des Beispiels Kisdorf verstehen, zumindest eigenwillig an, davon zu sprechen, dass manch einer über das schnelle Vorbeiziehen des Gipfels erstaunt sein wird.

Haben Sie sich dieser Tage mit den Schlagzeilen befasst? Wieder ist von Aufrüstung und der Festung Hamburg zu lesen.
Ich vermisse meine Freie und Hansestadt, mein Tor zur Welt - Sie nicht auch?
Natürlich, werden Sie zurecht erneut einwenden können, sind sie nicht dafür verantwortlich zu machen, wie sich die Berichterstattung gestaltet. 
Das ist aber auch wirklich nicht der Punkt in diesem Zusammenhang mit dieser Randbemerkung.
Lediglich fällt auf, dass die gesamte Veranstaltung, ihre Akteure inbegriffen, einer Choreografie zu folgen scheinen, die auf eine Eskalation zusteuert. Und das obwohl es mannigfaltig Möglichkeiten gäbe, sich mit der friedlichen wie kreativen Seite beispielsweise des Protests auseinanderzusetzen - ich empfehle an dieser Stelle beispielsweise das Projekt "1000 Gestalten".

In den Sozialen Netzwerken finden sich übrigens bereits die ersten Erlebnisberichte anlassloser Kontrollen, wie sie in dieser Woche und vor wenigen Tagen ein Berufsfotograf - nach eigener Schilderung - bei einem Spaziergang durch die Anlage Planten und Blomen erdulden musste.
Stein des Anstoßes war angeblich das Mitführen einer Kamera, was - wie man dem Mann wohl beschied - in der Nähe des Tagungsortes per se und zunächst einmal verdächtig sei.

Solche Erzählungen - das darf ich Ihnen offen sagen - machen mir auf eine Art fast Angst, weil sie so willkürlich erscheinen. 
Wie kann - den Gedanken der Willkür hypothetisch fort gesponnen - davon ausgegangen werden, dass in der zweifellos weitaus angespannteren Situation einer Demonstration angemessen und vor allem mit Bedacht gehandelt werden wird, wenn die Nerven doch jetzt bereits nervös an der Oberfläche zu liegen scheinen?
Obwohl man sicher nicht jeder Schilderung Glauben schenken muss, gibt es in diesem Fall des Berufsfotografen und doch sehr wahrscheinlich unbescholtenen Bürgers, wenig Anlass zu zweifeln. 
Vielleicht werden Sie mir recht geben, dass ein solches Verhalten - ungeachtet dessen, dass es aus grundrechtlicher Sicht dazu taugen könnte, einen Eingriff darzustellen und gleichermaßen die unschönen Erinnerungen an die als rechtswidrig festgestellten Gefahrengebiete wach ruft - das Vertrauen in die Einsatzkräfte ebenso wenig stärkt, wie es die Ausfälle der Berliner Hunderschaften, die in Bad Segeberg in einem Containerdorf untergebracht waren un der Langeweile geschuldet - wie zu lesen war - ihrer menschlichen Seite, der Wohlverhaltenspflicht ungeachtet, allzu deutlich Ausdruck gaben.

Ich möchte darauf verzichten, Lob für die Selbstverständlichkeit auszusprechen, dass die Hamburger Direktion entschied, die betreffenden Beamten zurück nach Berlin zu schicken. Auch will ich es unterlassen, darüber zu philosophieren, ob Langeweile ein taugliches Argument im Zusammenhang mit dem öffentlichen Urinieren sein kann oder mir den, zugegeben, spöttischen Verweis auf die Sorge um die Reinlichkeit der Gipfel-Gegener zu gestatten, welche, wie das BVerfG gestern entschied insofern Recht haben, als dass ihr Camp im Stadtpark unter versammlungsrechtlichen Aspekten zu beurteilen ist.

Stattdessen möchte ich viel lieber über Container und Inhalte mit Ihnen sprechen.
Ich darf an dieser Stelle vorauseilend anmerken, dass sich im Folgenden einige Verweise auf die Stadtpolitik finden werden, welche auf den ersten Blick nicht in die Bewertung des G20-Gipfels einfügen wollen. Jedoch, Sie werden sich vielleicht erinnern, bin ich nach wie vor der Auffassung, dass die Veränderung der Welt im Kleinen beginnen muss und Hamburg eben kleinteilig mit zumindest vergleichbaren Problemen zu kämpfen hat, wie sie uns auf der großen Weltbühne vor Augen stehen. Außerdem bleibt es ebenfalls dabei, dass eine glaubwürdige Gastgeberin mit gutem Beispiel voranzugehen hat, meinen Sie nicht?

Beginnen wir also mit den Containern.
Die Frage danach, wie es sein kann, dass Geflüchtete, die über Monate eben in solchen Containerdörfern, ohne nennenswerte Beschäftigung und nicht selten traumatisiert sei angemerkt, waren oder noch sind, sich dem Druck ausgesetzt sehen, sich mustergültig zu verhalten und bei der leisesten Andeutung, dass dem nicht entsprochen wird, ein spitzer Aufschrei ertönt, dass das zweifelhafte Verhalten von Beamten im Staatsdienst aber umgehend entschuldigt wird, möchte ich hier nicht aufwerfen. Auch wenn eine Diskussion darüber sicher zu interessanten Ergebnissen führen könnte.

Nein, mich treibt im Zusammenhang mit den Containern vielmehr die Frage um, weshalb sich die Stadt der Möglichkeit zu verschließen scheint, diese den Obdach- und Wohnungslosen zur Verfügung zu stellen, und zwar nicht nur für die Gipfeltage, sondern darüber hinaus.
Über 800 Container, so meine ich, sind leer stehend eingelagert und stünden damit einer Umnutzung zur Verfügung.
Warum also nicht - und damit auch gleich einem der Inhalte des Gipfels, der Frage nach sozialer Gerechtigkeit nämlich, einen Schritt entgegenkommen, wenn auch einen kleinen - das Signal senden, dass das "sozial" im Namen Ihrer Partei eine Bedeutung hat?
Was hält Sie davon ab, eben diesen Schritt zu gehen?
"Es ist nicht vorgesehen" stellt übrigens keine zufriedenstellende Antwort dar.

Nachdem es aber offenbar nicht angedacht ist noch in Frage kommt, den Schwachen der Gesellschaft mit einer unkomplizierten und schnellen Lösung temporäre Linderung ihrer Situation zu verschaffen, darf ich gleich die Frage anschließen, wie es sich mit der Flüchtlingspolitik verhält?
Es müsse sich etwas ändern, war zu vernehmen und von den Elbbrücken wehte am gestrigen Mittwoch ein Banner mit der Aufschrift "Build Bridges not Walls".
Aber wie sehr bauen das weltoffene Hamburg und die G20 wirklich Brücken? Sie selbst werden nicht müde, zu betonen, dass keine durchschlagenden Ergebnisse zu erwarten sind oder gar erwartet werden können, da nicht alle Mitglieder der G20 an einem Strang zögen.
Verzeihen Sie den naiven Einschub an dieser Stelle: Fangen Sie damit an, an einem Strang zu ziehen. Es ist sprichwörtlich kurz vor zwölf!

Bleiben wir also noch einen Moment bei uns, der Stadt, denn wie beschrieben ist die Politik im Kleinen symptomatisch für die Politik im Großen. Und in einer Abschottungspolitik scheinen sich Hamburg als Gastgeberin wie die Gäste in weiten Teilen einig zu sein.
Während im Mittelmeer Menschen ihr Leben verlieren, der Ozean eine Urne für Tausende ist, baut Europa Mauern und hat dennoch den eigenartigen Mut, mit dem Finger in die USA zu zeigen.

Hamburg derweil kämpft seit Jahren gegen die Lampedusa-Gruppe und an dieser Stelle möchte ich anfügen, dass die Tatsache, dass 2015/2016 für die ankommenden Geflüchteten gesorgt wurde, in überwiegenden Teilen den unermüdlichen Ehrenamtlichen geschuldet ist; Sie und Ihre Regierung haben an diesem kleinen Wunder der Empathie und Feuerwerk der kreativen Ideen, das bis heute fortwirkt, einen nicht mal nennenswerten Anteil.

Ja, es muss sich etwas ändern.
Wir brauchen mehr als nur Worte und Fotografien für das Album der Weltpolitik, auf denen sich die Regierenden im Schatten eines ungeliebten Wahrzeichens die Hände schütteln.
Wir brauchen kreative Ideen und den Mut, sie umzusetzen. Entgegen der Zwänge und Zäune, von Lobbiesten errichtet, brauchen wir effektive Maßnahmen, die unsere Stadt, unsere Städte und damit unsere Welt sauberer werden lassen und die Lebensqualität steigern. 
Wir brauchen sauberer wie erneuerbare Energie - wussten Sie, dass Humboldt bereits im 18. Jahrhundert vor den Folgen eines Klimawandels zu warnen begann? 
Wir brauchen eine gerechte, eine ernsthaft soziale (Markt)Wirtschaft, die nicht darauf gründet, sich gegenseitig um jeden Preis zu übervorteilen und die eigenen Schafe zunächst ins Trockene zu bringen, um sie dann zu scheren.
Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung und fairen Handel wie faire Arbeitsbedingungen.

All das dürfte Ihnen bekannt sein und ist nicht mehr als eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen.
Manchmal, lieber Herr Scholz, sehe ich aus meiner Perspektive auf die politischen Entscheidungen und schüttle den Kopf über die entrückten Reden und den Karren, den man seit Jahrzehnten oder nunmehr gar Jahrhunderten in den Dreck zu fahren bemüht ist.

Ja, das Miteinander reden ist wichtig und ja, die Digitalisierung wird das persönliche Gespräch wohl niemals ersetzten können, wie Sie am Mittwoch in der Bürgerschaft feststellten. 
Aber das Zuhören und das Wahrnehmen ist es ebenfalls. 
Zeigen Sie Haltung bei diesem Gipfel, über dessen Legitimation wir vielleicht nächste Woche sprechen, und retten Sie vielleicht die Welt, wenigstens ein Stück davon, und nicht zuletzt auch den guten Ruf der Stadt.
Und wenn Sie es nur tun, um den Andenken an Helmut Schmidt gerecht zu werden.

Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf Antwort


Freitag, 07. Juli 2017
6. Brief
verschickt per E-Mail am Samstag, 08. Juli 2017

Lieber Herr Scholz, 

ich möchte verschiedene Dinge vorausschicken, bevor wir uns mit den Themen dieser Woche befassen.
Zunächst einmal halte ich nur für gerecht, wenn Sie - nachdem wir nun seit Wochen mehr oder weniger korrespondieren - wissen, wer Ihnen schreibt.
Ich bin seit zwanzig Jahren Bürgerin dieser Stadt, in der ich schon als junges Mädchen habe Leben wollen. 
Ich komme aus einer Familie, in der Widerstand, Bildung, die Nähe zur SPD sowie auf eine seltsame Weise sogar zu dem Amt, dass Sie in dieser Stadt bekleiden gegeben sind. Vermutlich würde man sagen, ich gehöre zum Bildungsbürgertum, auch wenn mir diese Bezeichnung und Art zu denken fern liegt.
Sofern Sie sich die Frage stellen, wie Widerstand und Bürgertum zusammen gehen, kläre ich Sie gerne auf: Mit einem Urgroßvater der im Widerstand gegen das Hitlerregime seinen Platz fand und einem Großonkel, der in den 80er Jahren des vergangenen Jahrtausends Ihr Amt ausübte und dem es gelungen ist, die Konflikte in der Hafenstraße durch mutige Entscheidungen zu lösen, entwicklen sich Rückgrat und Gerechtigkeitssinn wohl fast selbständig. 
Und das, lieber Herr Scholz, ist auch der Grund, weswegen ich mich nicht mit dem Schreiben der Behörde für Inneres und Sport zufrieden gebe, welches mich in der vergangenen Woche erreicht und als Antwort auf meine Schreiben der vergangenen Wochen dienen sollte. Dazu aber wollen wir später noch kommen; wenden wir uns nun den aktuellen Ereignissen zu.

Wissen Sie, ich bin höchst erstaunt, dass Sie es in der momentanen Lage, in der sich die Stadt befindet nicht für nötig erachtet haben vor 23 Uhr am Abend dieses katastrophalen Tages das Wort an die Bürger/ Bürgerinnen zu richten. 
Auf der anderen Seite, gemessen daran - und das müssen Sie schon verzeihen - dass, Ihre Äußerungen im Zusammenhang mit dem G20 Gipfel nicht selten weltfremd anmuten, ist es vielleicht sogar ratsam für den Augenblick zu schweigen.

Wollen wir uns doch noch einmal die beiden Aussagen aus den vergangenen Tagen in Erinnerung rufen.
Die Hamburger werden nicht merken, dass der Gipfel stattfindet und sich wundern, wenn am 9. Juli alles vorüber ist, haben Sie sinngemäß geäußert.
Es ist schmerzhaft mühsam, nicht die Fassung zu verlieren, das darf ich Ihnen an dieser Stelle versichern, wenn ich beim Blick auf die aktuellen Bilder an diese Worte denke. 
Sagen Sie mir, und heute lieber Herr Scholz, wird dieses Schreiben nicht mit der Floskel "in der Hoffnung auf Antwort" enden, nein, heute erwarte und fordere ich Sie als Bürgerin dieser Stadt auf, zu antworten und zwar jedem einzelnen Hamburger/ Hamburgerin, bedauern Sie zumindest diesen Satz gesagt zu haben? 
Die gleiche Frage gilt für Ihre Feststellung, der G20 Gipfel sei vergleichbar mit einer Großveranstaltung wie dem Hafengeburtstag. Die Geschichte, die in diesen Tagen geschrieben wird, wird Sie als den Bürgermeister in die Bücher zeichnen, der seine Bürger/ Bürgerinnen nicht ernst nimmt, der ihre - die der Bürger / Bürgerinnen Stadt fahrlässig gefährdet und die Verantwortung für jeden einzelnen Verletzten und jede einzelne Sachbeschädigung trägt.

Sie dürfen dahingehend beruhigt sein, dass Sie sich diese Verantwortung mit den Herren Grote, Dudde und Meyer teilen. In welcher Verteilung, das sei Ihnen überlassen, aber für Sie alle Vier gilt, haben Sie auch nur einen Funken hanseatischen Anstandes im Blut, nehmen Sie Ihre Hüte.
Ich habe mich heute gefragt, was Helmut Schmidt wohl angesichts der Bilder zu sagen gehabt hätte und ob er überhaupt Hamburg als Austragungsort zugestimmt haben würde. Stellen Sie sich solche Fragen gelegentlich? 
Die Antworten interessiert mich tatsächlich. 

Ich habe mich ernsthaft bemüht, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass keiner von Ihnen zumindest geahnt haben könnte, dass eben eintritt, was wir jetzt gerade in unserer Stadt erleben.
Können Sie sich vorstellen, was das für ein Gefühl ist, die Wahl- und Herzheimat brennen zu sehen? 
Angst davor haben zu müssen, auf die Straße zu gehen, ob zum Einkaufen oder um an einer der friedlichen Demonstrationen teilzunehmen? Angst um die Menschen, die man liebt haben und regelmäßig anderen bestätigen zu müssen, dass man selbst nicht verletzt oder in Gefahr ist? 
Ich unterstelle, Sie haben keine Ahnung.

Würde ich mit Ihnen die Fragen eines eskalierenden Verhaltens der Einsatzleitung und eingesetzten Kräfte diskutieren, so überstiege das heute meine Kräfte, aber seien Sie versichert, ich reiche Ihnen die entsprechende Analyse oder Zusammenfassung zeitnah nach.
In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen ebenfalls versichern, dass ich nicht gewillt bin Ihnen, Herrn Grote, Herrn Meyer und erst recht nicht Herrn Dudde - wissen Sie noch? Der kann das und der kann das gut, haben Sie gesagt - zu überlassen. 
Letzter ist übrigens ebenfalls bemerkenswert still.

Um kurz auf das so genannte Antwortschreiben der Behörde für Inneres und Sport einzugehen, das Ihnen vorliegen dürfte, da Sie sich über die Antwort auf mein(e) Schreiben nach Auskunft des Bürgerbüros unterrichten lassen wollten, zurück zu kommen:

Zunächst einmal habe ich in meinen Briefen mehr als nur die Frage nach dem Sicherheitskonzept - und unwillkürlich möchte ich um Auskunft dazu bitten, ob es überhaupt eines gegeben hat; es hat, mit Verlaub, nicht den Anschein - aufgeworfen.
Ich habe den durchaus ernst gemeinten Versuch unternommen, mich mit dem Gipfel und der Bedeutung für die Stadt, mit den - Ihrer Auffassung nach thematischen Randerscheinungen - wie den Grundrechtseingriffen auseinanderzusetzen und sogar Bemühungen unternommen, mir die Angelegenheit aus Ihrer Perspektive zu besehen sowie die Inhalte auf die stadtpolitischen Themen herunter zu brechen.
Die Antwort auf all das steht aus. Und auch die fordere ich an dieser Stelle nach, lieber Herr Scholz.
Es ist nicht bequem sich auseinandersetzen zu müssen, ich weiß. Aber Sie werden es müssen. Also biete ich Ihnen in aller Freundlichkeit an: Üben Sie an mir.

Bevor ich schließe gestatten Sie noch zwei Bemerkungen:

Ich habe noch sehr genau im Ohr, dass Sie nicht müde wurden, zu betonen, dieser Gipfel sei positiv für Hamburg. Denn die Welt würde in Bildern die Schönheit der Stadt sehen können. Bilder gibt es reichlich, lieber Herr Scholz. 
Aber wie sollen diese gut für Hamburg sein? Ich sehe nichts Schönes. Sie?
Dabei gäbe es sie tatsächlich, die schönen Bilder; sie kommen nur nicht durch die Rauchsäulen, die marodierenden Horden und das Waffenarsenal auf den Straßen der Stadt.

Und wo wir schon von Bildern sprechen: Sehen Sie genau hin, lieber Herr Scholz, dann erkennen Sie die Zivilcourage der Bürger/ Bürgerinnen, die versuchen ihre Viertel und ihre Stadt zu retten und zu beschützen.
Da sehen Sie eine Frau, die sich mit Randallieren auseinandersetzt und sie dazu bewegt, die Flaschen zu senken. Da sehen Sie einen Mann, der mit einem Feuerlöscher versucht Brandherde in seiner Wohnstraße zu löschen. 
Sie werden Aufrufe sehen, um gemeinsam den Schlamassel - und das ist die gemäßigte Wortwahl - den Sie, Herr Grote, Herr Meyer und Herr Dudde zu verantworten haben, aufzuräumen.
Sie werden Spendenaufrufe und -aktionen sehen, um den Betroffenen Linderung zu verschaffen, was mich nahtlos zu der zweiten Bemerkung bringt:

Ihr Innensenator ließ sich vernehmen, die Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen oder ähnliches seien nicht gegeben.
Beantworten Sie oder Herr Grote, diesen Punkt betreffend bin ich da nicht wählerisch, mir doch die Frage, was für Voraussetzungen vorliegen müssen.

Sie haben großes wie unverdientes Glück, dass diese Stadt solidarisch ist. 

Mit Bestimmtheit kann ich Ihnen dennoch sagen, dass Sie die Rechnung zahlen werden. 
Dieser Tag hat Sie das Vertrauen einer ganzen Stadt gekostet.

Vertrauen ist leicht zu verlieren, aber schwer wieder zu erlangen, lieber Herr Scholz.

Mit freundlichen Grüßen und in Erwartung einer Antwort

Die Antworten

1. Antwort erhalten am 09.06.2017 per E-Mail vom Bürgerbüro


Herr Bürgermeister Olaf Scholz hat mich gebeten, Ihnen für Ihre E-Mail vom 2. Juni 2017 zu danken und Ihnen zu antworten.
Aufgrund der fachlichen Zuständigkeit habe ich Ihr Anliegen dem Senatorenbüro der Behörde für Inneres und Sport mit der Bitte weitergeleitet, sich Ihres Anliegens anzunehmen. Bis zu einer Antwort von dort bitte ich um ein wenig Geduld.
Das Bürgerbüro wird sich unterrichten lassen.


Mit freundlichen Grüßen

2. Antwort erhalten am 29.06.2017 als Antwort auf die Briefe vom 02., 09. und 23. Juni 2017 per E-Mail vom Amt für Innere Verwaltung und Planung, Abteilung öffentliche Sicherheit, Brand und Katastrophenschutz A425

Ihre Schreiben an Herrn Bürgermeister Scholz wurde zuständigkeitshalber an die Be-hörde für Inneres und Sport weitergeleitet. Ich wurde beauftragt, Ihnen ein Antwort-schreiben zukommen zu lassen. Sie hinterfragen insbesondere die Notwendigkeit von versammlungsrechtlichen Maßnahmen anlässlich des G20-Gipfels und kritisieren die Einschränkungen für die Bürger, die mit dieser politischen Veranstaltung einhergehen.

Die Entscheidung, das Treffen der Staats- und Regierungschefs der zwanzig führenden Industrie- und Schwellenländer, den G20-Gipfel, in Hamburg stattfinden zu lassen, wurde von der Bundesregierung in enger Abstimmung mit dem Senat unter Abwägung sämtlicher denkbarer Risikofaktoren für die Bewohner und die Gäste getroffen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass nur eine Großstadt wie Hamburg über die Infrastruktur und die Hotels verfügt, um so große Gipfel auszurichten. Deshalb haben in der Vergangenheit nahezu alle G20-Gipfel in Großstädten wie London, Seoul oder St. Petersburg stattgefunden. Die Durchführung eines solchen Gipfeltreffens in einer Groß-stadt bedingt aber auch, dass für die Staatsgäste, für die teilweise höchste Gefährdungsstufen gelten, und gleichermaßen auch für die Bewohner der Stadt die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten ist. Darüber hinaus obliegt es dem Staat bzw. der Polizei, für die sichere Durchführung von Versammlungen Sorge zu tragen. Auch das Versammlungsrecht ist Schutzgut der öffentlichen Sicherheit.

Hamburg erwartet ein in seiner Geschichte bisher einzigartiges Ereignis. Während des G20-Gipfels werden sich etwa 6.500 Delegierte aus 23 Ländern und von 11 Organisationen in Hamburg aufhalten. Hinzu kommen etwa 2.500 Medienvertreter. Bisher sind für die Zeit des Gipfels 25 Versammlungen angemeldet, mit weiteren Spontanver-sammlungen und Aktionen wird zu rechnen sein. Einige dieser Versammlungen werden viele tausend Teilnehmer haben. Die weitaus meisten Teilnehmer werden ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung friedlich wahrneh-men. Die Bundesregierung und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg begrü-ßen, dass so viele Menschen ihre Forderungen an die Regierungen der wichtigsten Länder vorbringen und auf diese Weise an der Gestaltung der Zukunft teilhaben.

Nach Hinweisen, die den Polizeien und den Verfassungsschutzämtern vorliegen, wer-den sich unter den Versammlungsteilnehmern aber auch einige tausend gewaltbereite Personen befinden. Das erklärte Ziel einiger Gruppierungen ist es, das Gipfeltreffen aus Versammlungen heraus zu stören oder gar zu verhindern. Im Internet gibt es eine ganze Reihe von durchaus ernstzunehmenden Ankündigungen derartiger Störungen, die für jedermann sichtbar sind. 
Die Polizei ergreift daher alle erforderlichen Maßnahmen um die Menschen in dieser Stadt zu schützen. Als Versammlungsbehörde erlässt sie Auflagen, etwa hinsichtlich der Route und Kundgebungsorte bei Aufzügen, wenn von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen ist. Bei entsprechender Gefahrenprognose kann eine Versammlung verboten werden. Es findet sich aber in den weitaus meisten Fällen eine Möglichkeit, durch Kooperation von Anmeldern einer Versammlung und der Versammlungsbehörde ein Verbot zu vermeiden.
Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen mit vergleichbaren Veran-staltungen hat die Versammlungsbehörde mit einer am 9. Juni 2017 im Amtlichen An-zeiger veröffentlichen Allgemeinverfügung in einem Bereich vom Flughafen Hamburg bis zur Ludwig-Erhardt-Straße/Willy-Brandt-Straße die Durchführung von Versammlun-gen untersagt. Einzelheiten hierzu können der Internetseite http://www.hamburg.de/g20-gipfel/8932622/2017-06-09-bis-bt-transferkorridore/ entnommen werden. Diese Maßnahme dient der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Gipfelteilnehmern, Versammlungsteilnehmern, unbeteiligten Dritten und Polizeibeamten aufgrund von Blockaden auf den von den Staatsgästen zu benutzenden Protokollstrecken sowie Evakuierungs- und Rettungswegen. Gegen diese Allgemeinverfügung wurden, wie zu erwarten, Rechtsmittel eingelegt. Wie die gerichtlichen Verfahren dazu ausgehen, bleibt abzuwarten.
Die Versammlungsbehörde hat in bereits durchgeführten Kooperationsgesprächen Anmeldern von Versammlungen alternative Versammlungsorte bzw. -routen aufgezeigt, die sehr zentral und in räumlicher Nähe sowohl zu dem maßgeblichen Veranstaltungsort Messehallen als auch zur Örtlichkeit für vorgesehene Programmpunkte (Elbphilharmonie) gelegen sind, so dass der grundrechtlich geschützte Beachtungserfolg erzielt werden kann. Dies gewährleistet die Versammlungsbehörde auch nach Er-lass der Verfügung bezüglich sämtlicher Anmelder von Versammlungen.

Mit der Ausrichtung des G20-Gipfels in Hamburg haben der Senat und die zuständigen Behörden auch die Verantwortung dafür übernommen, dass die Veranstaltung wie ge-plant durchgeführt werden kann, dass Versammlungen im größtmöglichen Umfang stattfinden können und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit gewährleistet wird. Damit dies gelingen kann, sind Kompromisse und auch Einschränkungen unvermeidlich. Die-se Einschränkungen und Belastungen werden auf das unabdingbar notwendige Maß begrenzt. 


Zum Schluss möchte ich an Sie appellieren, nicht nur die Gefahren und Einschränkungen zu sehen, die mit dem G20-Gipfel einhergehen, sondern auch die Chancen, die damit verbunden sind. Hamburg will im Geiste des Friedens  eine Mittlerin zwischen den Erdteilen und Völkern sein, heißt es in der Präambel unserer Landesverfassung. Dieser Auftrag lässt sich beim G20-Gipfel verwirklichen, wenn die Staats und Regierungschefs der G20-Staaten sowie Repräsentanten von Organisationen wie der Afrikanischen Union in einen Dialog treten, um die drängendsten globalen Probleme miteinander zu diskutieren.

3. Antwort erhalten am 14. Juli 2017 als Antwort auf das Schreiben vom 07. Juli 2017 per E-Mail vom persönlichen Referenten

vielen Dank für Ihre Nachricht. Der G20-Gipfel hat den Hamburgern und ihren Familien sehr viel abverlangt. Die Einschränkungen und Belastungen durch die Sicherheitsvorkehrungen waren immens.
Trotz der umfangreichen Vorbereitungen auf Bundes- und Landesebene ist es nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht überall. Dafür, dass das geschehen ist, hat der Bürgermeister in seiner Regierungserklärung zum G20-Gipfel die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung gebeten.

Die Hamburger mussten schlimme Situationen miterleben. Sie hatten Angst. Sie wurden Opfer gezielter Zerstörungswut und haben materielle Schäden zu beklagen. Mehr als 20.000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz. Es war der größte Polizeieinsatz in der Hamburger Nachkriegsgeschichte. Und es war auch der härteste. Hinterhältig und mit nie gekannter Brutalität sind die Täter vorgegangen, es war ihnen egal, was das für Konsequenzen für Bürger und Bürgerinnen hat. Die Polizei hat sich den Gewalttätern entschlossen entgegengestellt. Rettungskräfte und Krankenhausmitarbeiter haben den Verletzten geholfen. Ihnen gilt unser Dank.
Im Vorfeld wurde vielfach kritisiert, unsere Sicherheitseinschätzungen seien viel zu pessimistisch, im Nachhinein gibt es Kritik, man habe zu blauäugig geplant – beides trifft nicht zu.

Die Verantwortung für diese Gewalttätigkeiten liegt weder bei dem Gipfel noch bei der Polizei. Sie liegt bei denjenigen, die  diese Gewalt ausgeübt haben, einem kriminellen Mob, dem es nur um Gewalt und Zerstörung ging. Eine Mitverantwortung trifft auch jene, die das verharmlosen, Verständnis aufbringen und denen die Kraft fehlt, sich von den Vorkommnissen zu distanzieren. Überall in unserer Stadt ist die Fassungslosigkeit über das Geschehene noch immer zu greifen – aber auch der Wille, das Kreuz durchzudrücken und weiter zu machen.

Die Stadt Hamburg hat mit Unterstützung des Bundes einen Härtefonds eingerichtet, an den sich Bürger wenden können. Tausende Bürgerinnen und Bürger haben angepackt, um die Spuren der Verwüstung zu beseitigen. Der HVV bietet denen, deren Autos zerstört wurden eine kostenlose Monatskarte an. Bürgerinnen und Bürger organisieren Dankeschön-Aktionen für die Polizei und Betroffene. Die neue Soko „Schwarzer Block“ der Hamburger Polizei arbeitet unter Hochdruck.

Olaf Scholz hat sich die Tage über immer wieder persönlich über die Lage informiert, hat mit Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei gesprochen. Die schon erwähnte Regierungserklärung des Bürgermeisters vom 21. Juli 2017 ist eine ausführliche Stellungnahme. Der Text könnte Sie interessieren, Sie finden ihn online unter: 

http://www.hamburg.de/buergermeisterreden-2017/9141084/2017-07-12-pr-scholz-regierungserklaerung-zum-g20-gipfel-hamburg/.


Mit freundlichen Grüßen

Montag, 17. Juli 2017
Epilog

Und was nun? 
Der Gipfel ist jüngere Vergangenheit, die Schanze sauber gewischt, die Schuld verteilt und die Aufarbeitung ein lautes Verantwortung von sich weisen.
In der Kürze wird es nicht gelingen, den vielen Facetten gerecht zu werden, die über die "wir" als Gesellschaft, gleichgültig, ob wir uns für politisch Aktive oder für passive halten, dringend sprechen sollten. Miteinander. 
Bedauerlicherweise steht der Herbst und damit die Bundestagswahl in den Startlöchern, den Sprint um die mediale Aufmerksamkeit zu gewinnen. 
Wer sich heute noch mit den Nachrichten von gestern befasst, kann darin ebenso gut den Abfall vergangener Tage einwickeln.

Die Zeit heilt alle Brandwunden, werden wir irgendwann sagen und uns darüber wundern, dass die so genannte Aufarbeitung nicht oder ungenügend stattgefunden hat. 
Personelle Konsequenzen stehen nicht zur Debatte, denn die Verantwortlichen, die Entscheider haben auf allen Ebenen und zu jeder Stunde richtig gehandelt.
Es fielen in den vergangenen 10 Tagen unbedacht gesprochene Worte, haltlos in das rote Licht einer  Fernsehkamera und doch mit dem Brustton der Überzeugung vorgetragen.
Polizeigewalt habe es nicht gegeben, das sei eine Denunziation, die der Erste Bürgermeister entschieden zurückweise. 

Die Grundrechtsverletzungen haben sich schon längst überholt, sind die Schlagzeilen nicht wert, die über sie verloren wurden.

Im Kampf um die öffentliche Meinung und die Deutungshoheit der Ereignisse wird scharf geschossen, mit Molotwcocktails, deren Existenz fragwürdig bleiben darf und die eine Gewalttätigkeit gegen die andere aufgewogen. 
Falsches wird im Falschen nicht richtig, möchte man durch ein Megafon auf einem Marktplatz stehend immer wieder verkünden, während die hauchdünne Firnes des gesellschaftlichen Minimalkonsens zerbröselt wie trockene Kekse, übrig geblieben von einem Weihnachtsfest vor G20. 

Die Reflexe folgen dem für sie geschriebenen Drehbuch, Szenen im Schnelldurchlauf, denn wer sich im Detail beschäftigt und auseinandersetzt, verliert entweder die Wahl oder Abonnenten.  

Und irgendwo am Rande des Geschehens versucht eine Stadt mit ihren Menschen, die diesen Gipfel in großer Zahl nicht wollten und doch verdammt waren der Tragödie in 5 Tagen beizuwohnen, zu heilen. 
Katarsis bisher Fehlanzeige.

Jene, die den Blick offen halten, werden bemerken, dass der Vorhang längst nicht gefallen ist. 
Und der Rest? Wickelt den Abfall von heute in die Zeitung von morgen.