Montag, 24. Oktober 2016

Von Stellungnahmen und Zwischentönen - Der Fall Peter W. Streng

Es ist möglich, viel zu sagen, ohne etwas zu sagen. Beispielsweise lässt sich eine Stellungnahme abgeben, ohne eben dies zu tun – Stellung zu nehmen, Position zu beziehen. 

So geschehen im Fall Peter W. Streng und dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR). 

Nach einer guten Woche, was für das Internetzeitalter beinahe eine Ewigkeit bedeutet, hat der BDR sich öffentlich zu den Vorwürfen gegen Streng geäußert. 

Von einer klaren Distanzierung der Inhalte, die Streng auf seiner privaten facebook-Seite geteilt hat wird geschrieben.
Der BDR wird nicht müde, dieses kleine Detail – privat nämlich – hervorzuheben.
Wie privat aber sind die Äußerungen eines Menschen, die zum einen in einem sozialen Netzwerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und zum andern von einer Person getätigt werden, die eben dort steht, in der Öffentlichkeit als wie in diesem Fall Repräsentant eines großen Sportvereins?

Muss sich also der Verein das Verhalten seines stellvertretenden Präsidenten zurechnen lassen und darf das gemeine Vereinsmitglied die Erwartung haben, dass Äußerungen eines Präsidiumsmitglieds im Zweifel Konsequenzen haben?

Fragen, auf die der BDR eine unzureichende Antwort gefunden hat. Die Stellungnahme sagt im Kern nicht mehr aus, als dass Streng einen Fehler begangen habe, für den er sich entschuldigte. Diese Entschuldigung würde respektiert. 

Grundsätzlich ist der Standpunkt, ein Mensch habe eine zweite Chance verdient, ein guter wie begrüßenswerter.
Jedoch stellt sich die Frage, ob der Mensch sich um diese zweite Chance nicht verdient machen muss. In Strengs Fall ist sie, wenn schon nicht vom Himmel, dann zumindest vom Präsidium gefallen. 
Streng selbst hat sich nach Dafürhalten des Präsidiums entschuldigt. Vielmehr aber ist aus seinen Worten eine Rechtfertigung für ein über Monate andauerndes Fehlverhalten herauszulesen, keinesfalls jedoch eine Entschuldigung im eigentlichen Sinne.
Weder nimmt Streng zurück, was er verbreitet hat noch bittet er bei Verein, Mitgliedern und am wichtigsten den von seinen hetzerischen Äußerungen Betroffenen – Geflüchteten nämlich – um Verzeihung. Stattdessen beruft er sich auf mangelnde Recherche und naive Blauäuigkeit.

Das wiederum wirft die Frage auf, ob ein Mann, der sich derart von seinen Emotionen leiten lässt, dass er nicht mehr in der Lage ist, sachlich zu agieren, in einer leitenden Funktion überhaupt gut aufgehoben sein kann.
Das Ergebnis zu dem auch diese Frage unweigerlich führt, deckt sich mit der vielstimmigen Forderung der Mitglieder des BDR nach Rücktritt.
Das BDR-Präsidium hat anders entschieden. Eine weitere Zusammenarbeit würde ermöglicht. Unterfüttert wird diese Aussage durch eine Auflistung, die das soziale Engagement Strengs belegen soll. 

Soziales Engagement, gleich welcher Form, gegen Fehltritte aufrechnen zu wollen erinnert  unangenehm an die mittelalterliche Praxis der Ablasse. Erfreulicherweise leben wir nicht mehr im Mittelalter. Es ist vollkommen irrelevant, wie prall gefüllt das Karma-Konto Strengs sein mag. Davon losgelöst zu betrachten ist sein Verhalten in der aktuellen Situation.

Ein einfaches Beispiel: 
Ist ein Mensch jahre- oder sogar jahrzehntelang ein hervorragender Bankkaufmann, unterschlägt dann eine nicht unerhebliche Summe, so wird das Fehlverhalten schwerer wiegen, als die Dienste für die Bank. 
Oder wie der Volksmund weiß „Dummheit schützt vor Strafe nicht.“

Es ist unmöglich, das Teilen, Gutheißen, Verbreiten – ob nun versehentlich, schlecht recherchiert, mit voller Absicht oder etwas dazwischen – von rechtem Gedankengut und/oder rechtspopulistischen Äußerungen nicht in einem aktuellen zeit- und gesellschaftsgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen.

Der BDR hat mit seiner Großzügigkeit, Streng eine zweite Chance einzuräumen, eines ganz deutlich herausgestellt:

Nicht nur hat diese Gesellschaft das Problem, dass die rechten Tendenzen lauter und deutlicher zutage treten, sondern auch sind sie inzwischen so sehr Teil des vermeintlich Normalen, dass sie relativiert oder unter Meinungsfreiheit gehandelt werden.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und nicht ohne Grund grundgesetzlich verbrieftes Menschenrecht. Es ist jedoch ein Irrglaube, sie habe keine Grenzen. 

Das Fazit, welches aus dem Fall Streng zu ziehen ist, schmerzt die Anständigen, die ihren Sport als Brücke, Möglichkeit zur Begegnung und als integratives Element begreifen.
Denn letztlich hat der BDR mit seiner Entscheidung nur eines bewiesen: 

Ungeachtet, was sich aus der Satzung zweifelsfrei lesen lässt, ist es für den BDR nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Auf ein uneingeschränktes Miteinander, gleich welcher Herkunft, Religion oder welchen Geschlechts die Menschen sind, kann es dem Präsidium nicht ernstlich ankommen. 

**** 
Weitere Meinungen:

War ja alles nicht so gemeint

Good Bye BDR! Es reicht endgültig

BDR - auf der Suche nach der negativen Aufmerksamkeit

BDR: Vize-Präsident Streng muss weg!

Update, 10.11.2016: Rücktritt

Update, 10.11.2016: Die Ruhrbarone fassen zusammen.

Update, 10.11.2016: Pressemitteilung des BDR

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Der Fall Peter W. Streng

Längst ist der Radsport in Deutschland mehr als nur ein Nischensport. 
Zur Zeit fahren Athleten und Athletinnen bei der Straßen-WM in Doha um Titel und Anerkennung sportlicher Höchstleistungen.
Doch nicht nur die Athleten und Athletinnen repräsentieren den Radsport. Auch die zahlreichen Vereine tragen repräsentative Verantwortung. 

Der "Bund deutscher Radfahrer" (BDR), gegründet 1884 in Leipzig, ist ein solcher Verein mit einer langen wie traditionsreichen Geschichte. Die WM in Doha präsentiert und dokumentiert der BDR ausführlich auf der Seite des Vereins in dem sozialen Netzwerk "facebook". 
Wozu der Verein nicht an solch prominenter Stelle oder auf seiner eigenen Webseite Stellung bezieht, ist das Verhalten des stellvertretenden Vorsitzenden Peter W. Streng.
Der 71-jährige, den der Geschäftsführer des BDR "als sozial engagierte Person" kennen will, teilt und verbreitet seit ca. 1 1/2 Jahren rechtspopulistische Propaganda auf seinem eigenen Profil, das er in dem Netzwerk "facebook" unterhält.

Verschiedentlich ist der BDR auf das Verhalten seines stellvertretenden Vorsitzenden in der Vergangenheit aufmerksam gemacht worden; Reaktionen blieben aus.
Eine neuerliche Welle, die dieser Tage durch die Radsportgemeinde fährt, hat einen so genannten Shitstorm auf der Seite des BDR ausgelöst. 

Beispiele, die am 11. Oktober 2016 per Screenshot gesichert wurden:

Tatsächlich ist der Mann auf diesem Bild Imam Abu Adam, wie sich aus diesem Link ergibt. Imam Abu Adam engagiert sich in Sachsen in einem Projekt, das aussteigewilligen Salafisten Hilfestellung bietet. Wie das ZDF berichtet, erreicht Adam mit seiner Arbeit besonders Jugendliche und hat bereits vielen zu dem Ausstieg aus der extrem-salafistischen Szene verholfen. 







(Screeenshots zur Verfügung gestellt von Paul Baluch)


Ich selbst habe mich direkt mit dem Geschäftsführer, Herrn Martin Wolf, am 11. Oktober 2016 per E-Mail in Verbindung gesetzt:

Sehr geehrter Herr Wolf,
sehr geehrte Damen und Herren,

in Unkenntnis darüber, wer für die Pflege Ihrer facebook-Präsenz verantwortlich zeichnet bzw. wie regelmäßig die Beiträge dort überprüft werden, wähle ich das altbacken erscheinende Mittel E-Mail um Ihnen folgendes mitzuteilen:

Der stellvertretende Vizepräsident des BDR äußert sich in nicht tolerierbarer Form in dem sozialen Netzwerk "facebook".
Möglicherweise ist Ihnen die Hetze, die Herr Streng verbreitet bisher nicht aufgefallen.
Ein kurzer Blick auf das Profil macht deutlich, dass neben Beiträgen, die den BDR/ Radsport betreffen auch Beiträge des Kopp-Verlages und/ oder zweifelhafter Blogs, welche dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, verbreitetet werden.

Es ist die Aufgabe und Pflicht eines jeden couragierten Menschen, sich in aller Deutlichkeit gegen die Veröffentlichung sowie Verbreitung solcher Beiträge auszusprechen bzw. sich ihr entgegen zu stellen.
Hetze ist auch in der virtuellen Welt nicht von Meinungsfreiheit gedeckt.

Ihnen sollte zum einen daran gelegen sein, zum einen öffentlich Stellung zu beziehen sowie die Stellung des Herrn Streng innerhalb des BDR zu diskutieren und zu überdenken.

Schweigen und einen etwaigen "Shitstorm" abwarten kann und darf nicht der Lösungsansatz sein. Wer sich heutzutage nicht klar gegen derartiges Gedankengut positioniert, weg sieht und schweigt, macht sich an der Verbreitung mitschuldig.

Der Radsport sollte - so wie jede andere Sportart - als etwas begriffen werden, das Menschen verbinden, Brücken schlagen und Verständnis für einander fördern kann und zwar ganz unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Präferenz oder ähnlichem.

Als Geschäftsführer können Sie, Herr Wolf, nicht ernstlich wollen, dass der BDR in einen derart negativen Zusammenhang gerückt wird.

Zeigen Sie Haltung, sehr verehrte Damen und Herren.

Mit Interesse sehe ich einer Stellungnahme Ihrerseits entgegen und verbleibe einstweilen mit freundlichen Grüßen

Antwort erhielt ich noch am selben Abend:


vielen Dank für ihre E-Mail, die mich hier bei der Straßen-Weltmeisterschaft in Doha erreicht hat.
Von unserer Facebook-Redaktion wurde ich auch über verschiedene Beiträge zu den auf der Privatseite unseres Stellvertretenden Präsidenten Peter Streng veröffentlichten Posts informiert.
Ich bedanke mich auch für ihre Hinweise zum Kopp-Verlag und die anderen Hintergrundinformationen.
Selbstverständlich ist der Sport insgesamt, aber auch der Radsport ein Bereich, in dem -wie Sie so schön anmerken- Brücken geschlagen werden und der Mensch unvoreingenommen aufgenommen wird, unabhängig von Religion, Geschlecht oder Herkunft. Der Sport hat auch in schwierigen politischen Zeiten immer etwas Verbindendes und kann viel zur Integration und Verständigung beitragen. Dies zeigt sich gerade bei der aktuellen politischen Lage auch bei dieser Weltmeisterschaft.
Sie können gerne meinen Facebook-Freundeskreis einmal durchgehen und werden sehen, dass ich diese Vorsätze zumindest auf dieser Ebene auch "lebe".
Bitte geben Sie mir die Gelegenheit vor einer weiter ausführenden und öffentlichen Stellungnahme mit Peter Streng, den ich nicht so "rechtspopulistisch" kenne wie hier dargestellt, sondern als  sozial engagierte Person, zu sprechen, um vorher seine Stellungnahme dazu zu hören.
Vielen Dank und noch einen schönen Abend
Mit freundlichen Grüßen
Martin Wolf

Die erste Reaktion in dem sozialen Netzwerk "facebook" erfolgte am 11.10.2016 am Vormittag:

Wir sind eine reine Sportorganisation, in der parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen ausgeschlossen sind, dies ist auch Teil unserer Satzung. Radsport ist ein Bereich in dem der Mensch unvoreingenommen aufgenommen wird, unabhängig von Religion, Geschlecht oder Herkunft! 
Der Sport hat auch in schwierigen politischen Zeiten immer etwas Verbindendes und kann viel zur Integration und Verständigung beitragen!
Bitte gebt uns die Gelegenheit vor einer weiter ausführenden Antwort mit Herrn Streng zu sprechen und seine Stellungnahme dazu zu hören.

Jedoch wurde diese erste Stellungnahme nicht auf der fb-Seite des Vereins gepostet, sondern lediglich unter die jeweiligen Kommentare gesetzt. 
Am späten Nachmittag des gestrigen Tages erfolgte dann die offizielle Stellungnahme:

Offizielle Stellungnahme des BDR:
"Der Bund Deutscher Radfahrer distanziert sich klar und eindeutig von den Facebook-Posts, die unser Stellvertretender Präsident Peter Streng auf seiner privaten Facebook-Seite geteilt hatte. 
Wir sind eine reine Sporto
rganisation, die schon in der Satzung parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen ausschließt. Radsport ist ein Bereich in dem jeder Mensch unvoreingenommen aufgenommen wird, unabhängig von Religion, Nationalität, Geschlecht oder Herkunft. Der Sport hat auch in schwierigen politischen Zeiten immer etwas Verbindendes und kann daher viel zur Integration und Verständigung beitragen. Dies wird in unseren Vereinen auch gelebt. 
Peter Streng hat heute auf seiner Facebook-Seite eine Stellungnahme abgegeben, in der er selbstkritisch deutlich macht, dass er aus der Emotion heraus und ohne notwendiges Hinterfragen einige Artikel geteilt hat, hinter deren Urhebern, Inhalten und Weltbild er nicht steht. 
Das BDR-Präsidium wird in seiner nächsten Sitzung seinem langjährigen und engagierten Präsidiumsmitglied die Gelegenheit geben, diese Stellungnahme weiter auszuführen und dann entscheiden, ob eine weitere Zusammenarbeit möglich und sinnvoll ist."

Diese Stellungnahme wurde ebenfalls nicht an prominenter Stelle veröffentlicht; weder auf der Webseite des Vereins noch auf der von dem Verein unterhaltenen fb-Seite ist sie zu finden, sondern als Antwort unter die Kommentare aufgebrachter Nutzer und Nutzerinnen des Netzwerks gesetzt.
Eine weitere Reaktion auf die Rückfrage, ob zumindest mitgeteilt werden könne, wann die nächste Sitzung stattfinden solle steht bisher aus.

Auch Peter W. Streng äußerte sich zu den Vorwürfen via "facebook". Der Beitrag ist, so wie alle in Rede stehenden rechtspopulistischen Äußerungen, entweder inzwischen gelöscht oder der Öffentlichkeit unzugänglich gemacht worden. 
Herr Streng gab an, er habe "falsch recherchiert, sei blauäugig gewesen, habe sich in einem emotional aufgewühlten und verstünde nicht, weshalb ihm als einem Menschen, der sich für Minderbemittelte sowie Flüchtlinge einsetze, unterstellt würde, er vertrete und verbreite rechtspopulistisches Gedankengut":



(Screenshots zur Verfügung gestellt von Paul Baluch)

Nachweislich hat Herr Streng im Juni 2016 ebenfalls rechtspopulistische Propaganda verbreitet. Von schlechter Recherche zu sprechen, erscheint in diesem Zusammenhang mehr als nur fragwürdig:
(Screenshot aus den Kommentaren in der Diskussion auf der fb-Seite des BDR entnommen)


Die Versuche der Erklärung und Rechtfertigung für sein Handeln muten mehr als seltsam an:








(Screenshots zur Verfügung gestellt von Paul Baluch)

Der BDR verweist in seinen Äußerungen zur Sache darauf, dass die Posts auf der privaten fb-Seite des Herrn Streng veröffentlicht wurden. 
Dies entspricht zwar der Wahrheit, ist aber für den Umgang mit der Angelegenheit zweitrangig. 
Herr Streng bekleidet eine hochrangiges Amt innerhalb des Vereins, der sich selbst als "demokratisch, jedoch parteipolitisch und konfessionell unabhängig" beschreibt und von sich selbst sagt: "Was zählt, ist der Radsport. Hier ist der BDR Ansprechpartner in allen Belangen "Rund ums Rad"."

Als stellvertretender Vorsitzender des BDR ist Herr Streng nicht nur eine Person des öffentlichen Interesses, sondern hat neben erheblicher Reichweite, auch Verantwortung inne.
In einer Zeit, in der geistige Brandstiftung, PEGIDA und AfD als das politische Geschehen mitbestimmen, kann und darf nicht geduldet werden, dass ein Funktionär sich dergestalt äußert.
Ein solches Verhalten muss Konsequenzen haben. 
Der BDR distanziert sich in seiner Stellungnahme von den durch Herrn Streng abgesetzten Posts, jedoch nicht von Herrn Streng selbst. 
Es ist nicht haltbar, dass die Verbreitung solchen Gedankenguts unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt wird. 
Aus den Stellungnahmen sowohl des BDR als auch des Herrn Streng lässt sich jedoch nicht viel mehr ableiten, als dass der Hoffnung nachgehangen wird, die Angelegenheit würde ad acta gelegt, hätten sich die Gemüter erst beruhigt. 
Auch das ist nicht tolerierbar.
Wer sich heute nicht deutlich gegen die Verbreitung solchen Gedankenguts stellt, widerspricht und spürbare Konsequenzen zieht, macht sich mitschuldig und zum stillen geistigen Brandstifter.
Dulden wir, dass Menschen - zumal solche in angesehenen Positionen - ungestraft derartige Äußerungen treffen können, so tragen wir dazu bei, dass sich das Bild festigt Rechtspopulismus bis hin zu Rechtsextremismus sei salonfähig.
Die politischen wie gesellschaftlichen Verhältnisse verlangen unbedingt und unabdingbar, dass wir Haltung zeigen.
Der Radsport vereint Menschen verschiedenster Herkunft, Religion, sexueller Präferenz, schlägt Brücken und trägt zu Verständnis wie Integration bei. 
Dies alles lässt sich keinesfalls mit einem stellvertretenden Vorsitzenden des BDR vereinbaren, der seit mehr als einem Jahr Propagandamaterial, das dem rechten Spektrum zuzuordnen ist, verbreitet.
Der Fall Peter W. Streng ist exemplarisch. Exemplarisch müssen auch die Konsequenzen sein, die in nichts anderem bestehen können, als in einer Amtsenthebung.

Update, 13.10.2016, 23:11 Uhr:
Der Fc St. Pauli Radsport hat eine Stellungnahme veröffentlicht, in der der BDR aufgefordert wird zu handeln.

Update, 14.10.2016, 19:12 Uhr: Este Medienresonanz bei Spiegel Online.

Update, 15.10.2016, 15:03 Uhr: Paul im Interview bei dem Radiosender Kölncampus.

Update, 17.10.2016, 10:5 Uhr: Die Webseite Ruhrbarone veröffentlicht diesen Beitrag als Gastbeitrag.

Update, 18.10.2016, 11:33 Uhr: In dem Forum auf von Helmuts Fahrrad Seiten hat ein Mitglied eine Diskussion zum Thema angestoßen.

Update, 19.10.2016, 00:55 Uhr: Der BDR veröffentlicht auf seiner "facebook"-Seite die nachfolgende Stellungnahme im Wortlaut:
"Stellungnahme zum Spiegel-online-Beitrag sowie den umfangreichen Nachrichten, Kommentaren und Beiträgen auf der Facebook-Seite des BDR in der Sache "Peter Streng" 

"Das Präsidium des Bund Deutscher Radfahrer distanziert sich klar und eindeutig von den Facebook-Posts, die Peter Streng, unser Stellvertretender Präsident auf seiner privaten Facebook-Seite geteilt hatte. 
Der BDR als Spitzenorganis
ation des Radsports in Deutschland hat sich aus guten Grund schon in seiner Satzung darauf verpflichtet, dass parteipolitische, religiöse und rassistische Bestrebungen ausgeschlossen werden. Der Sport insgesamt, aber ganz sicher der Radsport ist ein Bereich in dem jeder Mensch unvoreingenommen aufgenommen wird, unabhängig von Religion, Nationalität, Geschlecht oder Herkunft. Der Sport hat national und international auch in schwierigen politischen Zeiten immer etwas Verbindendes und kann daher viel zur Verständigung und zur Integration beitragen. Dies wird in unseren Vereinen tagtäglich auch so gelebt.
Peter Streng hat nach seiner schriftlichen Stellungnahme, die unten stehend beigefügt ist, heute gegenüber dem BDR-Präsidium für alle kritischen Fragen zur Verfügung gestanden. Er hat selbstkritisch deutlich gemacht, dass er aus der Emotion heraus und ohne notwendiges Hinterfragen einige Artikel geteilt hat, hinter deren Urhebern, Inhalten und Weltbild er nicht steht.
Die Diskussion hat auch dazu geführt, dass noch einmal deutlich gemacht wurde, dass alle Organe und deren Funktionsträger im BDR verpflichtet sind, die in der Satzung dokumentierten Prinzipien zu beachten. Eine Verbindung zwischen der Funktion im BDR und persönlichen politischen Aktivitäten und Äußerungen aller Art als Staatsbürger, ganz egal in welche Richtung diese gehen, darf keinesfalls hergestellt werden.
Das BDR-Präsidium hat sich lange beraten und unter Berücksichtigung des vielfältigen sozialen Engagements von Peter Streng (unten aufgeführt) seine Entschuldigung angenommen.
Wir fühlen uns im Präsidium dem in der Bundesrepublik Deutschland gelebten Grundsatz verpflichtet, Menschen eine zweite Chance zu geben. Aus diesem Grund und unter der Berücksichtigung, dass Peter Streng in seiner Arbeit für den Radsport und unseren Verband bisher niemals durch politische Äußerungen aufgefallen ist, wird seine öffentliche Entschuldigung akzeptiert und eine weitere Zusammenarbeit ermöglicht.“

Öffentliche Stellungnahme von Peter Streng:
„Mit Betroffenheit habe ich die gegen mich erhobenen Vorwürfe und Unterstellungen zur Kenntnis genommen. Eine menschenfeindliche Grundhaltung ist mir ebenso fremd wie rechtes Gedankengut. Das Gegenteil ist der Fall. Als Mitglied von Serviceclubs, die sich minderbemittelter und armer Menschen, darunter auch Flüchtlinge, annehmen und als Unterstützer sozialer Einrichtungen und Vermieter von Wohnungen an diesen Personenkreis, hatte ich in dem zuletzt von mir auf Facebook geteilten Artikel spontan eine Ungerechtigkeit ausfindig gemacht, die ich -ohne ausreichende Recherche- weitergegeben habe. Auch in den letzten Monaten haben mich einige Facebook-Posts bewegt und ich habe mich als emotionaler Mensch dazu verleiten lassen, diese auf meiner privaten Facebook-Seite zu teilen. Man kann mir insgesamt berechtigt den Vorwurf der unterlassenen Recherche machen. Dies war ein Fehler, der vermeidbar war und ich habe hieraus einiges gelernt. Wie kann man mir aber eine menschenfeindliche Grundhaltung und Fremdenfeindlichkeit sowie eine persönliche Nähe zum Rechtspopulismus/Rechtsextremismus vorwerfen, wenn die alleinige Absicht in der Verbreitung dieses und anderer -wie sich jetzt herausstellte lancierter und manipulierender- Artikel, darin bestand einen Vergleich mit Teilen der bereits hier lebenden Bevölkerung aller Nationen zu ziehen, denen solche finanziellen Mittel nicht gewährt werden. Zugegeben, es war blauäugig und von emotionaler Naivität sich vorher über die Urheberschaft nicht zu informieren, sondern diese direkt weiterzuleiten und auch anschließend nicht mehr zu hinterfragen. Ich habe aus diesem Vorgang schmerzhaft Lehren gezogen, werde aber auch unter Berücksichtigung dieser Erfahrung bei meinem Engagement in dem von mir geliebten Radsport im Sinne der verbindenden und integrierenden Aufgabe des BDR mit besonderer Aufmerksamkeit handeln.“


Soziale Engagements Peter Streng:
- Seit ca. 40 Jahren Mitglied in der Hans-Sachs-Loge in Nürnberg, eine Loge im humanitären Odd Fellow–Orden. Dieser Orden hat das Ziel Menschen zu helfen, die in Not sind.
-Seit ca. 20 Jahren Mitglied im Lions Club Nürnberg - Franken. Der Leitgedanke der Lions ist „We Serve“ und hat ebenfalls das Ziel in Not geratenen Menschen zu helfen.
- Mitbegründer des Vereins Männergesundheit e.V. nach eigener Tumorerkrankung. Die Ziele des Vereins sind: Verbesserung des Gesundheitsbewusstseins und Förderung von Präventionsmaßnahmen. Außerdem erfolgt die Organisation des Männergesundheitstages mit jeweils ca. 4.000 Besucher/innen
-Ehrenamtliche Unterstützung mittelständischer Betriebe im Sinne eines „Business Angels“ zum Teil mit Liquiditätsdarlehen
-Mitgliedschaft und Fördermitgliedschaft in verschiedenen gemeinnützigen Vereinen (u.a. dem Weissen Ring)
Ehrenamtliche Tätigkeit und Mitgliedschaften im Radsport (u.a. Bayern-Rundfahrt e.V.)
"

Update, 19.10.2016, 00:57 Uhr: Eine Petition steht seit dem 18.10.2016 online, die den Ausschluss von Peter W. Streng aus dem BDR fordert.

Update, 24.10.2016, 11:30 Uhr: Abschließende Zusammenfassung von unserer Seite.

Update, 28.10.2016, 10:59 Uhr: Peter Streng hat mitgeteilt, bis zur Verbandsratssitzung am 26. November 2016,9:30 Uhr nach Frankfurt am Main (im LSBH, Otto-Fleck-Schneise 4, 60528 Frankfurt/Main), sein Amt ruhen lassen zu wollen; Quelle 

Update, 10.11.2016, 11:30 Uhr: Rücktritt

Update, 10.11.2016, 15:37 Uhr: Die Ruhrbarone fassen zusammen.

Update, 10.11.2016, 16:54 Uhr: Pressemitteilung des BDR

(Anmerkung: Ohne die Initiative von Paul Baluch, der auf "facebook" die Aufmerksamkeit auf den Fall Peter W. Streng lenkte, wäre dieser Beitrag nicht entstanden.) 

Montag, 12. September 2016

Analysen

Mit Analysen ist es so eine Sache. Die meisten sind schrecklich lang und dennoch nicht umfassend. So auch diese, jede Wette. 
Trocken wie Wüstensand sind sie außerdem, also schon mal eine Flasche gut gekühltes Wahlgetränk öffnen, bequeme Haltung einnehmen und wappnen für die "wall of text" zur AfD und ihren Wählern. 
Reflexartig steigen hier schon die Ersten aus. Augenrollen. Nicht schon wieder. Es nervt. 
Ja, die AfD ist heute das, was das Dritte Reich im Schulunterricht war. Zu viel, zu sehr, zu Nerv tötend.
Im Unterschied zur Geschichte der 1933 bis 1945er jedoch ist die AfD jedoch keinesfalls Vergangenheit, sondern müht sich zukunftsweisend zu sein. 
Und so wie die Geschichte verdient auch die AfD, dass der aufgeklärte Mensch von heute - und jener, der ein solcher werden will - sich mit ihr beschäftigt. 
Bevor die Vergleiche zu hinken beginnen, folgt der Versuch einer Analyse:

Die Partei

Immer wieder ist zu lesen, die AfD zerlege sich selbst. Die Machtkämpfe an der Parteispitze sorgen regelmäßig dafür, dass die Partei tot gesagt wird. 
Tot gesagte leben länger. Und so auch die ehemalige Anti-Euro-Partei, deren ursprünglicher Mitbegründer Bernd Lucke längst das Weite gesucht hat. 
Inzwischen ist die AfD in 9 Landtagen vertreten, die nicht alle im Osten des Landes liegen. 
Kaum ein Tag vergeht, an dem die AfD nicht die Schlagzeilen bestimmt. Höchst selten geht es dabei um politische Inhalte. Mal ist es Frau von Storch, die sich über den Schusswaffengebrauch an Grenzen auslässt, mal Herr Gauland, der den Fußballnationalspieler Boateng als fremd empfindet
Nicht zu vergessen Frauke Petry, die Vorsitzende der Partei. Warnt sie nicht vor dem Deutschland bevorstehenden Bürgerkrieg, so ist sie damit beschäftigt ideologisch eindeutig besetzte wie verwendete Begriffe in den alltäglichen deutschen Sprachgebrauch zurückzuführen. Nach Möglichkeit positiv besetzt. 
Unbenommen der kleinen und großen Querelen innerhalb der Partei, wie dem Eklat im Stuttgarter Landtag, ist die Partei weit davon entfernt aufzugeben oder sich aufzulösen.
Stattdessen generiert sie Wähler quer durch alle Bevölkerungsschichten und mobilisiert wie zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern Nicht-Wähler. Und das alles mit einem Parteiprogramm, das zu großen Teilen aus den 1950er Jahren stammen könnte sowie zu Teilen offen zur Schau gestelltem rechtslastigem Gedankengut und Rassismus.

Der geneigte Denker, denn es heißt von Deutschland es sei unter anderem das Land der Denker, fragt sich nun: Wie kann das angehen? Woher rührt der Erfolg dieser Partei? 
Die Antworten auf diese Fragen sind mehrfach gegeben worden. 
Zum einen bündelt die AfD Ängste so wie sie diese gleichermaßen zum anderen schürt.
Spricht Frau Petry von einem heraufziehenden Bürgerkrieg, der Deutschland ereilen muss, wird die Zuwanderung nicht eingedämmt oder gar zum Erliegen gebracht, so ist die Wortwahl im Prinzip gleichzusetzen mit einem sehr trockenen Holzscheit, der gut brennbar in einem Kaminfeuer sein Ende findet.

Das Grundsatzprogramm der AfD besteht aus insgesamt 14 übergeordneten Punkten und lässt den Leser mit der Präambel wissen:
Wir sind Liberale und Konservative. Wir sind freie Bürger unseres Landes. Wir sind überzeugte Demokraten.
 Tatsächlich erreicht die Partei Wähler unterschiedlichster politischer Färbung, quer durch die bestehende Parteienlandschaft.
Und das obwohl sie sich immer wieder dem Vorwurf wenigstens rechtspopulistisch zu sein gegenüber sieht.
Die überzeugten Demokraten also, deren Vorsitzende "völkisch" gerne als positiv besetzen Begriff sehen und verwendet wissen möchte, treten für Vielerlei ein, was in der Berichterstattung kaum Gehör findet.
Dabei ist es durchaus interessant, dass die AfD sich in ihrem Grundsatzprogramm zur traditionellen Familie als Leitbild bekennt. Das traditionelle Bild der Familie - Mutter-Vater-Kind(er) - ist eines von vielen Modellen, aber sicher nicht das einzige, das schützens- wie unterstützenswert ist.
Das Recht der Frau sich gegebenenfalls für eine Abtreibung zu entscheiden, übrigens, negiert die AfD. 
1950 eben. Wenn überhaupt.

Über die Forderung, eine Kehrtwende in der Klimaschutzpolitik zu vollziehen wird ebenso selten gesprochen wie darüber, dass die AfD die Autofahrer durch Geschwindigkeitsbegrenzungen diskriminiert oder wenigstens behindert sieht. Geschwindigkeitsbegrenzungen aus anderen Gründen als der Verkehrssicherheit lehnt die AfD ab.

Der Grund dafür, dass über die diskriminierenden - Genderforschung abschaffen, keine umfassende sexuelle Aufklärung an Schulen, Schlechte-Stellen Menschen, die nicht heterosexuell orientiert sind - sowie veralteten Inhalte nicht oder selten diskutiert wird, liegt darin, dass die AfD es sich zur Aufgabe gemacht hat, Migration und Integration im negativsten Sinne zum alles andere überdeckenden Thema zu machen.
Was immer schief läuft in Deutschland und sei es die schlechte Internetverbindung in ländlichen Gegenden - es wird auf die sog. Flüchtlingskrise und "Wir schaffen das" zurück geführt.
Die AfD hat wie keine andere Partei begriffen, dass Menschen in aller Regel einen Sündenbock für die eigenen Unzulänglichkeiten und das eigene Unwohlsein brauchen.
Schlicht, weil es sich leichter lebt, wenn die Verantwortung nicht bei einem selbst liegt. 
Diesen Umstand nutzt die AfD (bedauerlicherweise) recht gekonnt für ihre Zwecke. 
Zudem kommt ihr zupass, dass in den vergangenen Jahren in der Bevölkerung das Gefühl gewachsen ist, man würde von "denen da oben" nicht wahr- und schon sowieso nicht ernst genommen.
Der politische Diskurs und Duktus haben sich für Teile der Bevölkerung inzwischen dem Gefühl nach so weit von den realen Problemen und Nöten entfernt, dass die Bürger sich unverstanden bis hin zu übersehen fühlen.
Und auch das ist eine nur allzu menschliche Reaktion, die die AfD für sich zu nutzen weiß:
Übersehen wie -hört wird kein Mensch gerne. Wer das Gefühl hat, nicht wahr- und ernst genommen zu werden, sucht sich andere Gesprächspartner. 
Diese unsachliche, weil durchweg emotional besetzte Ebene füllt die AfD.
Wer die AfD einzig unter dem Vorzeichen des Rassismus betrachtet, greift zu kurz. 
Teile der AfD sind rechtskonservativ, andere rechtspopulistisch und mit einigen Mitgliedern sitzt im Landtag von beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern rechtes bis extremes Gedankengut in Mitten der Abgeordneten.
Diese unstrittige Tatsache aber darf nicht dazu führen, dass in der Auseinandersetzung die gemäßigten Strömungen innerhalb der Partei außer Acht gelassen werden dürfen.
Der AfD entgegen zu treten, allenthalben wirksam, erfordert zum einen die klare Haltung gegen Rechts und zum anderen die Bereitschaft sich mit den Inhalten der Gemäßigten auseinander zu setzen, um diese ebenfalls zu entkräften.
Die Erkenntnis, dass diese Partei lange nicht so schwarz-weiß ist, wie ihr allgemein hin nachgesagt wird und das ein Teil ihres Erfolges ist, ist eine schmerzhafte wie nötige, wenn ihr beizukommen sein soll.

Die Wähler

Wer aber wählt die AfD  und warum?
Die Wähler der AfD sind vielschichtig und längst nicht alle ungebildet oder von Existenznöten geplagt. Auch sind nicht alle rassistisch, selbst wenn sie einer Partei ihre Stimme geben, die rechtspopulistisch bis hin zu rassistisch argumentiert.
Die Prozentzahlen zeigen, dass die AfD nicht ausschließlich, aber am stärksten - im Moment noch - im Osten des Landes auf Zustimmung trifft.
Die Gründe der Wähler ihre Stimme der AfD zu geben liegen zwischen Perspektivlosigkeit, rechter Orientierung und dem Gefühl, es "denen da oben mal zu zeigen" - Protest üben wollen also.
Das in Mode gekommene "Ost-Bashing" allerdings trägt nicht zur Lösung des Problems bei. 
Wer also nun der Ansicht ist, er möge seinen Urlaub nicht mehr auf Usedom oder Rügen verbringen, weil es sich um AfD-Hochburgen handelt und andere dazu anhält, diese Urlaubsziele ebenfalls zu meiden, tut zweierlei:
Zum einen verkennt er, dass die AfD lediglich sichtbar macht, was vor noch nicht allzu lang vergangener Zeit nur hinter vorgehaltener Hand oder am Stammtisch ausgesprochen wurde. Im Gegensatz zur NPD nämlich ist die AfD öffentlich wählbar, etabliert und salonfähig. 
Zum anderen führt ein Abstrafen einer gesamten Region, die unter anderem vom Tourismus lebt vermutlich nicht dazu, dass sich die Lebensumstände der Menschen vor Ort auf lange oder mittelfristige Sicht verbessern, sondern eher im Gegenteil. Da beißt sich die Katze sozusagen in den eigenen Schwanz.

Die Wähler der AfD auf ein Merkmal zu reduzieren, wird ihnen und der Problematik nicht gerecht.
Beispielsweise fühlen sich nicht alle ihre Wähler sozial benachteiligt oder abgehängt.
Was die Wähler der AfD durch alle Schichten hindurch eint ist ihre Verunsicherung und Angst vor gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen. 
Dabei verkennen die Anhänger der Partei, dass unter dem emotionalen Überbau, dem es gelingt die Ängste unter dem Stichwort "Flüchtlingspolitik" zu bündeln, eine neo-liberale Partei steckt, der beispielsweise nicht daran gelegen ist, die Kluft zwischen arm und reich zu schließen.
Es heißt, die Mitte der Gesellschaft radikalisiert sich. Dieser Prozess ist nicht erst mit dem Auftreten der AfD ins Rollen gekommen. 
Aber die Partei bietet den Menschen ein Ventil. Auch solchen, die zwar durchaus wahrnehmen, dass die AfD rechtspopulistisch bis hin zu rassistisch agiert und dies auch als Problem begreifen, sich aber dennoch für eine Stimmabgabe zugunsten der AfD entscheiden.

Und jetzt?

Die Ansätze, wie dem Problem beizukommen ist, sind unterschiedlich. 
Zunächst einmal dürfte inzwischen klar (geworden) sein, dass mit der AfD der als salonfähig geltende und wählbare Rechtspopulismus in Deutschlands Parteienlandschaft Einzug gehalten hat. 
Das Erstarken rechter Strömungen ist europaweit zu beobachten und demnach kann es kaum verwundern, dass auch Deutschland davon erfasst ist.
Unabdingbar wird zukünftig sein, die dezidierte Auseinandersetzung suchen, um die schwachen Argumente und nicht zuletzt die Gesinnung offen zu legen.
Sich allein auf die Strategie zu verlegen, das Gespräch mit der Wählerschaft zu vermeiden, wird die gesellschaftliche Kluft nicht verkleinern, sondern allenfalls verbreitern; zumal der Riss durch die so genannte Mitte heute schon spürbar ist.
Nicht nur der Einzelne als Teil der Gesellschaft trägt eine Verantwortung, sich dem Erstarken der Rechten in den Weg zu stellen. 
Das erfordert unter anderem argumentative Gegenrede, aber auch die Fähigkeit sich auf den Gegenüber einzustellen; eine Sprache zu finden, die der andere versteht.
Wer sich grundsätzlich als nicht wahr- und ernst genommen begreift, wird sich von Vorwürfen und einem ausgestreckten Zeigefinger eher in seinen Emotionen bestätigt fühlen und demnach nicht erreichbar sein.

Der eigenen Frustration in Form von Humor Luft zu machen, muss und darf sein. Die Diskussion bestimmen darf beispielsweise Satire jedoch nicht. Schlicht, weil sie bei denjenigen, die es zu erreichen gilt, die Türen verschließt, statt sie zu öffnen.

Die Welt dreht sich sehr viel schneller als noch vor wenigen Jahrzehnten und die Möglichkeiten Informationen, zu generieren sind annähernd unbegrenzt.
Unabhängig von den Leitmedien und Online-Präsenzen der Tages- und Wochenblätter, findet sich im Internet eine Flut von Blogs. Den Wahrheitsgehalt der im Netz verbreiteten Ansichten und Informationen zu überprüfen oder zuvor überhaupt in Frage zu stellen, erfordert nicht selten eine gewisse Mühe und den Willen eben nicht alles geschriebene für bare Münze zu nehmen.
Aus Bequemlichkeit, Zeitmangel oder weil es in das eigene Weltbild passt, sind die Menschen nicht immer gewillt diese Mühe auf sich zu nehmen. 
Es mögen auch weitere Gründe eine Rolle spielen, wie das nicht gelernt haben zu hinterfragen beispielsweise.
Gleichzeitig gibt es immer mehr als nur eine Wahrheit, was den Vorgang einer differenzierten und möglicherweise sich der Objektivität annähernden Meinungsbildung erschwert.

Die Auseinandersetzung mit den zur Verfügung gestellten Informationen und das (Er)Lernen, ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, um sich eine Meinung bilden zu können, ist unabdingbar für uns wie für zukünftige Generationen.

Die so genannten etablierten Parteien versuchen sich an verschiedenen Anti-AfD-Strategien.
Eine Linie sucht der Beobachter vergebens, nicht mal innerhalb der Parteien selbst ist man sich unbedingt einig, wie mit der AfD umzugehen ist.
Die Versuchsreihen reichen von Attacken über Schmeichelei bis hin zu Ignoranz. 
Während die CSU von ihrer Schwesterpartei verlangt, in der "Flüchtlingsfrage" einzulenken, hält die CDU an ihrem bisherigen Kurs weitestgehend fest. Die kleinen Korrekturen nimmt die Bevölkerung kaum wahr und reichen den CSU-Vorderen nicht aus. 

Die SPD dagegen will nicht in erschrockener Schockstarre vor der AfD sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange. Vielmehr will man die Partei mit Argumenten und bei konkreten Themen bloß stellen. 

Die Grünen vertreten die Ansicht, die Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene zu vermeiden sei grundfalsch. Nicht alles, was nicht der eigenen Meinung oder Ansicht entspreche sei Hetze, auch wenn diese konkret benannt werden müsse. Es sei zusätzlich eine klare Abgrenzung zur AfD erforderlich und gelte dem politischen Einheitsbrei zu entkommen.


Die Linke dagegen ist mit Flügelkämpfen beschäftigt. Eine klare Strategie im Umgang mit der AfD scheint sie bisher nicht gefunden zu haben. 

Das Fazit muss demnach für diese Teilanalyse lauten:
Um das Fortschreiten der Radikalisierung aufzuhalten, was nötig ist, um den Rechtspopulismus zurück zu drängen, braucht es die Breitschaft die Auseinandersetzung auf der jeweils dem Gegenüber angepassten Ebene zu suchen und zu führen. Außerdem ist es zwingend notwendig, die zur Verfügung stehende Informationsfülle mit all ihren Vor- wie Nachteilen in die Bildungsebene miteinzubeziehen.
Die einfachen, weniger schmerzhaften Wege zu beschreiten, hat in den vergangenen drei Jahren nicht zum Verschwinden der AfD oder ihrer Anhänger geführt. 
So wie wir in den Schulen über die Geschichte Deutschlands aufklären, so ist es notwendig über die AfD, den Rechtspopulismus und die damit verbundenen Gefahren aufzuklären.
Deutschland wird sich daran gewöhnen müssen, dass der Rechtspopulismus zumindest zur Zeit in den Köpfen der Menschen und in der Parteienlandschaft angekommen ist.
Und es wird auf anderen Wegen als den bisher erprobten wehrhaft bleiben müssen, um die Ausbreitung zu verhindern.

Dazu kann auf medialer Ebene gehören, dass der Überhöhung Einhalt geboten wird. 
Die im Augenblick geführte "Debatte" um die Äußerung Petrys zum Begriff "völkisch" bietet ein gutes Beispiel ebenso wie eine vorzügliche Gelegenheit, den Habitus zu ändern.
Ja, es ist einen Bericht wert, dass nach dem Willen der AfD-Vorsitzenden ideologisch eindeutig verwendete wie besetzte Begriffe zurück in den täglichen Sprachgebrauch geführt werden sollen. 
Jedoch muss darüber weder tagelang noch im Stundentakt berichtet werden, denn das führt zu einer Gewichtung der Vorsitzenden als Person und der Partei, die nicht angemessen erscheinen wollen.
Die Herstellung eines Gleichgewichts, gemessen an den etablierten Parteien fehlt bis heute im journalistischen Umgang mit der AfD.
Auch ist kaum die Rede von den vermeintlichen Inhalten der Partei. Die Medien sind bei der Überlagerungsstrategie der AfD behilflich, in dem sie hauptsächlich über deren Einlassungen zur so genannten "Flüchtlingsfrage" berichten.
Sofern davon die Rede ist, die AfD auf inhaltlicher Ebene zu entzaubern, kann dies nur gelingen, richtet sich das Augenmerk auf Partei- wie Wahlpogramm(e) in Gänze. 

Soweit es die parlamentarische Ebene betrifft, hat die AfD bisher wenig vorzuweisen und ist es an den Abgeordneten der jeweiligen Landtage sich klar gegen die AfD zu positionieren, Anträge nicht zu unterstützen und die Inhaltslosigkeit, die sie eben absolut nicht zu einer Alternative macht, aufzuzeigen.
Gleiches gilt für Wahlkämpfe. 
Die Kandidaten und Parteien sind dazu aufgerufen, sich auf die Nähe zu den Bürgern zu besinnen und sich mit den Anliegen ihrer Wähler auseinanderzusetzen und zwar in einer verständlichen Sprache.

Die zivilgesellschaftliche Verantwortung liegt in der Abgrenzung zu rechtspopulistischen Positionen und der Gegenrede wie Auseinandersetzung auf sachlicher wie emotionaler Ebene.

Für das Umgehen und Zurückdrängen des Rechtspopulismus wird es eine hohe Frustrationstolernaz brauchen. 
Deutschland sieht sich einer Entwicklung gegenüber, die es mit demokratischen, rhetorischen, emotionalen Mitteln und Courage aufzuhalten gilt. 

Freitag, 9. September 2016

OSZE / G20 / Hamburg

Man gab sich Mühe. Redlich. Erstellte ein Präsentation, die hier eingesehen werden kann und verteilte Kugelschreiber mit dem Wappen der Stadt auf den Stühlen. Man stand zu fünft auf einer Bühne. Lächelnd. Erklärend. Belehrend. Sah sich einem Publikum gegenüber, das sich verhielt wie eine Schulklasse.
In den vorderen bis mittleren Reihen aufmerksames Zuhören, hin und wieder nervöses Flüstern, leise Kommentare. In den hinteren Reihen die Störenfriede und Klassenkasper. Weggelächelt wurden sie und darauf hingewiesen, dass man so erzogen sei, einander ausreden zu lassen. Der erhobene Zeigefinger verstand sich bestens mit der Arroganz.
Davon abgesehen?
Im Dezember zum OSZE erwartet die Stadt 57 Minister.
Das normale Leben im Karolinenviertel soll seinen normalen Gang gehen dürfen. Allerdings behält man sich etwas vor. Weitere Maßnahmen nämlich. Proteste dürfen sein. Doch. Wirklich. Nur nicht so laut.
Von Gefahrengebieten und deren Einrichtung - keine Rede. Nein, nein. Zwei Sicherheitszonen um die Messe. Ein paar Hamburger Gitter. Die schönen, in rot-weiß. 6.000 Polizisten. Ungefähr. Kein Grund zur Sorge. Und wer sich doch welche mache, könne das Bürgertelefon anrufen. Montag bis Freitag von 0800 bis 1600. Ist das nicht nett.
Ach? Die U-Bahnstation Rathausmarkt wird zeitweise gesperrt werden. Davon war im Laufe des Informationsabends nicht die Rede.
Ebenso wenig wie auf G20 im Juli 2017 eingegangen wurde. Vages Schulter zucken. Man könne noch nichts dazu sagen. Nichts verbindliches. Man wisse noch nicht, wie viele und wer käme. 10.000 Polizisten vielleicht. Eventuell eine Erweiterung der Sicherheitszone. Wer protestieren wolle, könne das tun. Nur nicht so laut. Am besten im Rahmen von C20. Da würden die Sorgen und Bedenken auch an die Kanzlerin herangetragen.
Ausweiskontrollen könnten schon sein. Taschendurchsuchungen wären möglich. Und die Polizisten freundlich. Man sei Einsätze bei Großveranstaltungen gewöhnt. Critical Mass, Triathlon, Alstervergnügen. Da werde man mit ein bisschen OSZE und G20 doch wohl fertig werden.
Die Presse habe sich vertan. Selbstverständlich könnten Kindergeburtstage gefeiert werden.
Das normale Leben im Viertel solle seinen normalen Gang gehen. Immer unter Vorbehalt. Der weiteren Maßnahmen wegen. In den Sicherheitszonen werde nach SOG (Hamburger Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung)gehandelt.

Im Anschluss an das Vortragsende, Fragestunde. Die Antworten ausweichend. Man möge sich nicht festnageln lassen. Lächeln. Winken. Schulter zucken. Geübte Chorografie.

Fazit?
Unerfreulich.
Die Fragestellung, ob das OSZE und / oder der G20 überhaupt Notwendigkeit wie Existenzberechtigung haben außen vor gelassen - denn, das war zu lernen an diesem bürgernahen Informationsabend, diese Frage sei nicht zu diskutieren, die Veranstaltungen fänden statt, das sei gesetzt - bleibt ein bitterer Geschmack zurück und das Ansinnen, die Veranstaltungen inmitten der Stadt stattfinden zu lassen ein fahrlässiges.
Die Beeinträchtigungen sollen sich lediglich über die zwei Tage der jeweiligen Zusammenkünfte plus 2 Tage Auf- und Abrüsten erstrecken.
Es ist kaum vorstellbar, dass der Senat und die Polizei ernstlich davon ausgehen, das Leben im Karolinenviertel sowie den angrenzenden Quartieren werde nicht beeinträchtigt.
Selbstverständlich werden nicht nur internationale Regierungsvertreter ihren Weg nach Hamburg finden, sondern auch Demonstranten aus aller Herren Länder.
Und wie die Hamburger Polizei mit Großdemonstrationen, mit denen gerechnet werden muss, umgeht, ist spätestens seit Dezember 2013 hinlänglich bekannt.
Gemessen daran, dass für die G7 oder G8-Gipfel empfohlen wurde, diese in weniger dicht besiedelter Umgebung stattfinden zu lassen, erscheint ein G20-Gipfel mitten in eng bebauten Wohngebieten nahezu wahnsinnig.
Da hilft es auch nichts, dass die Verteidiger der Veranstaltungen sich darauf berufen, man könne noch nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen.
Diese Blauäugigkeit und Ignoranz der Damen und Herren des Senats mutet auf eine beunruhigende Weise faszinierend an.
Dass Hamburg zum Veranstaltungsort auserkoren wurde, wertet man in Senatskreisen als Kompliment der Bundesregierung. Es werden Bilder der schönen Hansestadt um die Welt gehen, reibt sich der Tourismusverband die Hände.
Ja, Hamburg wird im zentralen Fokus der Weltöffentlichkeit und des Interesses stehen.
Allein, die Bilder werden kaum den Tourismus oder das positive Bild der Stadt an der Elbe stärken.
Im Gegenteil wird willentlich und wissentlich Schaden in Kauf genommen. Schön geredet zwar. Aber dennoch Schaden. Das ist und bleibt wenigstens fahrlässig bis hin zu verantwortungslos den Einwohnern aller Couleur einer Millionenstadt gegenüber.