Montag, 24. Oktober 2016

Von Stellungnahmen und Zwischentönen - Der Fall Peter W. Streng

Es ist möglich, viel zu sagen, ohne etwas zu sagen. Beispielsweise lässt sich eine Stellungnahme abgeben, ohne eben dies zu tun – Stellung zu nehmen, Position zu beziehen. 

So geschehen im Fall Peter W. Streng und dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR). 

Nach einer guten Woche, was für das Internetzeitalter beinahe eine Ewigkeit bedeutet, hat der BDR sich öffentlich zu den Vorwürfen gegen Streng geäußert. 

Von einer klaren Distanzierung der Inhalte, die Streng auf seiner privaten facebook-Seite geteilt hat wird geschrieben.
Der BDR wird nicht müde, dieses kleine Detail – privat nämlich – hervorzuheben.
Wie privat aber sind die Äußerungen eines Menschen, die zum einen in einem sozialen Netzwerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und zum andern von einer Person getätigt werden, die eben dort steht, in der Öffentlichkeit als wie in diesem Fall Repräsentant eines großen Sportvereins?

Muss sich also der Verein das Verhalten seines stellvertretenden Präsidenten zurechnen lassen und darf das gemeine Vereinsmitglied die Erwartung haben, dass Äußerungen eines Präsidiumsmitglieds im Zweifel Konsequenzen haben?

Fragen, auf die der BDR eine unzureichende Antwort gefunden hat. Die Stellungnahme sagt im Kern nicht mehr aus, als dass Streng einen Fehler begangen habe, für den er sich entschuldigte. Diese Entschuldigung würde respektiert. 

Grundsätzlich ist der Standpunkt, ein Mensch habe eine zweite Chance verdient, ein guter wie begrüßenswerter.
Jedoch stellt sich die Frage, ob der Mensch sich um diese zweite Chance nicht verdient machen muss. In Strengs Fall ist sie, wenn schon nicht vom Himmel, dann zumindest vom Präsidium gefallen. 
Streng selbst hat sich nach Dafürhalten des Präsidiums entschuldigt. Vielmehr aber ist aus seinen Worten eine Rechtfertigung für ein über Monate andauerndes Fehlverhalten herauszulesen, keinesfalls jedoch eine Entschuldigung im eigentlichen Sinne.
Weder nimmt Streng zurück, was er verbreitet hat noch bittet er bei Verein, Mitgliedern und am wichtigsten den von seinen hetzerischen Äußerungen Betroffenen – Geflüchteten nämlich – um Verzeihung. Stattdessen beruft er sich auf mangelnde Recherche und naive Blauäuigkeit.

Das wiederum wirft die Frage auf, ob ein Mann, der sich derart von seinen Emotionen leiten lässt, dass er nicht mehr in der Lage ist, sachlich zu agieren, in einer leitenden Funktion überhaupt gut aufgehoben sein kann.
Das Ergebnis zu dem auch diese Frage unweigerlich führt, deckt sich mit der vielstimmigen Forderung der Mitglieder des BDR nach Rücktritt.
Das BDR-Präsidium hat anders entschieden. Eine weitere Zusammenarbeit würde ermöglicht. Unterfüttert wird diese Aussage durch eine Auflistung, die das soziale Engagement Strengs belegen soll. 

Soziales Engagement, gleich welcher Form, gegen Fehltritte aufrechnen zu wollen erinnert  unangenehm an die mittelalterliche Praxis der Ablasse. Erfreulicherweise leben wir nicht mehr im Mittelalter. Es ist vollkommen irrelevant, wie prall gefüllt das Karma-Konto Strengs sein mag. Davon losgelöst zu betrachten ist sein Verhalten in der aktuellen Situation.

Ein einfaches Beispiel: 
Ist ein Mensch jahre- oder sogar jahrzehntelang ein hervorragender Bankkaufmann, unterschlägt dann eine nicht unerhebliche Summe, so wird das Fehlverhalten schwerer wiegen, als die Dienste für die Bank. 
Oder wie der Volksmund weiß „Dummheit schützt vor Strafe nicht.“

Es ist unmöglich, das Teilen, Gutheißen, Verbreiten – ob nun versehentlich, schlecht recherchiert, mit voller Absicht oder etwas dazwischen – von rechtem Gedankengut und/oder rechtspopulistischen Äußerungen nicht in einem aktuellen zeit- und gesellschaftsgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen.

Der BDR hat mit seiner Großzügigkeit, Streng eine zweite Chance einzuräumen, eines ganz deutlich herausgestellt:

Nicht nur hat diese Gesellschaft das Problem, dass die rechten Tendenzen lauter und deutlicher zutage treten, sondern auch sind sie inzwischen so sehr Teil des vermeintlich Normalen, dass sie relativiert oder unter Meinungsfreiheit gehandelt werden.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und nicht ohne Grund grundgesetzlich verbrieftes Menschenrecht. Es ist jedoch ein Irrglaube, sie habe keine Grenzen. 

Das Fazit, welches aus dem Fall Streng zu ziehen ist, schmerzt die Anständigen, die ihren Sport als Brücke, Möglichkeit zur Begegnung und als integratives Element begreifen.
Denn letztlich hat der BDR mit seiner Entscheidung nur eines bewiesen: 

Ungeachtet, was sich aus der Satzung zweifelsfrei lesen lässt, ist es für den BDR nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Auf ein uneingeschränktes Miteinander, gleich welcher Herkunft, Religion oder welchen Geschlechts die Menschen sind, kann es dem Präsidium nicht ernstlich ankommen. 

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Weitere Meinungen:

War ja alles nicht so gemeint

Good Bye BDR! Es reicht endgültig

BDR - auf der Suche nach der negativen Aufmerksamkeit

BDR: Vize-Präsident Streng muss weg!

Update, 10.11.2016: Rücktritt

Update, 10.11.2016: Die Ruhrbarone fassen zusammen.

Update, 10.11.2016: Pressemitteilung des BDR

1 Kommentar:

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